Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Sozialhilfe nach längerer Aufenthaltsdauer. rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer

 

Leitsatz (amtlich)

Angehörige der Volksgruppe der Ashkali aus dem Kosovo haben keinen Anspruch auf Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB 12.

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschrift des § 2 Abs 1 AsylbLG ist so zu verstehen, dass die Berechtigten während der gesamten 36-Monats-Frist ihren Aufenthalt nicht rechtsmissbräuchlich selbst verlängert haben dürfen.

2. Rechtsmissbrauch iS des § 2 Abs 1 AsylbLG ist nur bei vorwerfbarem Tun oder Unterlassen anzunehmen. Bloßes Nichtausreisen kann diesem Verhalten aber bei Hinzutreten weiterer Umstände gleich geachtet werden, denn in der "bloßen Nichtausreise" liegt bereits ein Verstoß gegen das gesetzliche Gebot aus § 50 Abs 2 AufenthG 2004. Mithin liegt in dem Unterlassen der Ausreise ein Rechtsverstoß, der jedenfalls auch als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, wenn einer freiwilligen Ausreise keine nachvollziehbaren und/oder gewichtigen Gründe entgegenstehen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.06.2008; Aktenzeichen B 8 AY 11/07 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren vom Beklagten höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) unter entsprechender Anwendung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Die Klägerin sind eine Familie mit zwei Erwachsenen und vier Kindern aus dem Kosovo. Sie rechnen sich zur Volksgruppe der Ashkali. Sie reisten im Februar 1999 in das Bundesgebiet ein und betrieben hier erfolglos die Anerkennung als Asylberechtigte. Das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht wegen des Asylantrags wurde (wohl durch Klagerücknahme) am... 2001 eingestellt. Die Kläger wurden zugleich unter Androhung der Abschiebung zu der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland aufgefordert. Da sie ihrer Ausreisepflicht nicht nachkamen und vorübergehend Abschiebungshindernisse bestanden hatten, wurden ausländerrechtliche Duldungen erteilt.

Die Kläger wohnten bis ... 2002 in einer Sammelunterkunft für Asylbewerber und sind am... 2002 in die Anschlussunterbringung gewechselt. Seither ist der Beklagte für die Erbringung von Leistungen nach dem AsylbLG zuständig, die er laufend erbracht hat. Unter anderem wurden auf Antrag der Kläger durch Bescheid vom ... 2005 die Vorstellung der Klägerin zu 2. und des Klägers zu 6. bei einem Augenarzt bewilligt. Am... erhob der Bevollmächtigte für die Kläger Widerspruch. Er wandte sich dagegen, dass die Leistungen nach Maßgabe der §§ 3 bis 7 AsylbLG erbracht werden. Die Kläger hätten gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG Anspruch auf Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII. Die Kläger hielten sich mehr als 36 Monate im Bezug von Leistungen und hätten die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Er verwies auf die Entscheidungen verschiedener Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, wonach Asylbewerber in vergleichbaren Fällen Anspruch auf höhere Leistungen hätten. In der Folgezeit bewilligte der Beklagte weitere Leistungen nach dem AsylbLG, insbesondere Krankenbehandlung, Kindergartengebühren und Schulbedarf.

Den Widerspruch vom ... 2005 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom ... 2005 zurück. Die Kläger seien nicht nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII leistungsberechtigt. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG lägen nicht vor, da die Kläger die Dauer des Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hätten. Sie seien ihrer Ausreisepflicht aus § 50 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht nachgekommen, obwohl weder Ausreisehindernisse noch Abschiebungsverbote gegeben seien. Insbesondere habe das Innenministerium Baden-Württemberg mit Erlass vom ... 2005 den Ausländerbehörden mitgeteilt, dass die freiwillige Ausreise von Angehörigen der Minderheit der Ashkali ins Kosovo möglich und zumutbar sei; auch Abschiebungen seien wieder möglich. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe festgestellt, dass zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nicht vorlägen. Wenn die Kläger dennoch nicht die Bundesrepublik Deutschland verließen, handelten sie rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG.

Am ... 2005 haben die Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe schriftlich Klage erhoben. Sie begehren weiterhin Leistungen in analoger Anwendung des SGB XII unter Anrechnung der bereits nach dem AsylbLG erbrachten Leistungen. Zudem haben sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung des Bevollmächtigten beantragt. Der Antrag auf PKH ist mit rechtskräftig gewordenem Kammerbeschluss vom ... 2006 abgelehnt worden, da die Kläger innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist Nachweise über die von ihnen bezogenen Leistungen nicht gemacht haben.

In der Hauptsache haben die Kläger vortragen lassen, sie hielten sich seit ... 1999 ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Sie seien hier geduldet. Sie hätten die bisherige Aufenthaltsdauer auch nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst. ...

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