Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldanspruch. erneutes Insolvenzereignis. Aufhebung der Insolvenzplanüberwachung wegen Zeitablaufs. keine Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit. keine Zusammenfassung mehrerer Insolvenzverfahren zu einem Gesamtverfahren. Europarechtskonformität
Leitsatz (amtlich)
Die Insolvenzgeldvorschriften des SGB 3 sind europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass ein zweites formelles Insolvenzereignis nach förmlichem Abschluss einer Insolvenzplanüberwachung zur Begründung des Insolvenzgeldanspruchs genügt (Anschluss an LSG Chemnitz vom 9.3.2011 - L 1 AL 241/06 = NZI 2011, 608).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Insolvenzgeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für in den Monaten Mai bis Juli 2010 ausgefallenes Arbeitsentgelt.
Die Klägerin war als Produktionsmitarbeiterin bei der xxx GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Über das Vermögen der xxx GmbH wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 23.11.2004 (Az. 2 IN 963/04) das Insolvenzverfahren eröffnet. Es wurde ein Insolvenzplan erstellt, der unter anderem auch Forderungen der Beklagten aus Insolvenzgeldzahlungen im Zusammenhang mit diesem Insolvenzereignis betrafen (Bestätigungsbeschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 21.12.2005). Das Insolvenzverfahren endete durch Einstellungsbeschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 29.12.2006. Die angeordnete Planüberwachung hob das Amtsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 11.02.2010 wegen Zeitablaufs (Ablauf von drei Jahren ohne erneuten Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens) gemäß § 268 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO) auf. Am 06.07.2010 beantragte die xxx GmbH erneut die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Ein zweites Insolvenzverfahren über das Vermögen der xxx GmbH eröffnete das Amtsgerichts Karlsruhe mit Beschluss vom 02.11.2010 eröffnet (Az. G2 IN 794/10).
Am 31.07.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Insolvenzgeld für in der Zeit vom 01.05.2010 bis zum 07.07.2010 ausgefallenes Arbeitsentgelt.
Dies lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 06.08.2010 mit der Begründung ab, mangels wiederhergestellten Zahlungsfähigkeit liege eine berücksichtigungsfähige zweite Insolvenz der xxx GmbH nicht vor.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 27.08.2010 und trug vor, das letzte, im Jahr 2004 eingeleitete Insolvenzverfahren sei abgeschlossen gewesen. In der Zwischenzeit haben sie regelmäßig und pünktlich Gehaltszahlungen seitens der xxx GmbH erhalten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2010 zurück. Darin führte sie aus, die xxx GmbH habe entgegen der Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan in den Jahren 2007 bis 2009 keinerlei Zahlungen an sie geleistet. In der Folge habe die Beklagte die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen aus dem Insolvenzplan mit Schreiben vom 03.11.2009 angemahnt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei Nichterfüllung des Insolvenzplans im Fall einer erneuten Insolvenz mangels wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit kein erneuter Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gemäß Urteil vom 29.05.2008 (Az. B 11a AL 57/06 R).
Mit der am 21.10.2010 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor, die erneute Insolvenz sei Folge der besonderen wirtschaftlichen Lage in den Jahren 2009 und 2010. Mit der Beendigung der Planüberwachung Anfang 2010 sei das vorangegangene Insolvenzverfahren abgeschlossen gewesen. Die Klägerin verweist hierzu auf die Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts vom 09.03.2011 (Az. L 1 AL 241/06). Insoweit sei zu ihren Gunsten zumindest einen Vertrauenstatbestand erfüllt. Hierbei müsse berücksichtigt werden, dass seitens der Beklagten keine Warnung an die Beschäftigten der xxx GmbH erfolgt sei, obgleich diese gewusst habe, dass angesichts der ausstehenden Verbindlichkeiten eine Zahlung von Insolvenzgeld im Falle eines neuen Insolvenzantrags nach ihrer Rechtsauffassung ausscheide (Schreiben der Beklagten vom 03.11.2009). Im Übrigen habe es die Beklagte unterlassen, wegen der Nichterfüllung ihrer Forderungen von dem ihr selbst zustehenden Insolvenzantragsrecht Gebrauch zu machen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2010 zu verurteilen, ihr hinsichtlich des in der Zeit vom 01.05.2010 bis zum 07.07.2010 ausgefallenen Arbeitsentgelts aus der Beschäftigung bei der xxx GmbH Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, für die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit sei es in der Regel erforderlich, dass ein Arbeitgeber auch bezüglich seiner Altschulden eine Regelung treffen, die der Sanierung des Unternehmens ausreichend Rechnung trage. Eine solche sei jedenfalls bezüglich ihrer eigenen Forderungen nicht getroffen worden. Die Erfüllung laufender Verbindlichkeiten genüge demgegenüber auch dann nicht, wenn ...