Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. PET-CT bei Prostatakarzinom zum Staging. neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Anspruch aus § 2 Abs 1a SGB 5. lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung. keine andere gleich effektive Diagnostikmethode. keine Verweisung auf eine alternative Behandlungsmethode
Orientierungssatz
1. Bei der Behandlungsmaßnahme „PET-CT bei Prostatakarzinom zum Staging“ handelt es sich nach wie vor um eine „neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode“. Abhängig von den Umständen des Einzelfalles kann aber ein Anspruch aus § 2 Abs 1a SGB 5 bestehen.
2. § 2 Abs 1a SGB 5 kann einen Anspruch auf Versorgung mit einer PET-CT begründen, wenn einerseits bei unterstelltem operablem Primärkarzinom ein Zuwarten einen (schnelleren) tödlichen Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit bedeuten würde, andererseits bei unterstelltem nicht operablem Karzinom der Eingriff selbst unmittelbar lebensgefährlich ist oder seine Folgen einen schnelleren tödlichen Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit bedeuten würden, und es kein anderes geeignetes diagnostisches Verfahren mehr gibt (Anschluss an BSG vom 24.4.2018 - B 1 KR 29/17 R = SozR 4-2500 § 2 Nr 11).
3. In der Regel kann jede Krebserkrankung, die sich nicht mehr im Frühstadium befindet, lebensbedrohlich sein und tödlich verlaufen, sobald eine positive Metastasierung in Lymphknoten oder Fernmetastasen vorliegen.
4. Eine Vermutung, dass bei unbekanntem Krebsstadium stets von einem grundsätzlich nicht lebensbedrohlichen Frühstadium ausgegangen werden muss, ist dem Regelungssystem des SGB 5 fremd und lässt sich auch nicht aus § 2 Abs 1a SGB 5 entnehmen.
5. Ein PET-CT dient gerade dieser Feststellung. Zum Staging eines Prostatakarzinoms existieren vertraglich keine anderen gleich effektiven Diagnostikmethoden.
6. Es ist nicht mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit vereinbar, den Versicherten auf eine neben der Untersuchungsmethode bestehende Behandlungsmethode zu verweisen. Bei der Beurteilung, ob alternative Untersuchungsmethoden bestehen, darf nur der Kreis aller zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden betrachtet werden.
7. Az beim LSG: L 5 KR 3934/19.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 11.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.02.2018 verurteilt, dem Kläger die Kosten für das am 26.05.2017 durchgeführte PET-CT in Höhe von 1.269,16 € zu erstatten.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine Positronen-Emissions-Tomographie in Kombination mit einer Computertomographie (PET-CT) in Höhe von 1.269,16 €.
Der 1946 geborene Kläger ist als Rentner bei der Beklagten gesetzlich gegen Krankheit versichert. Er befand sich wegen eines erstmals 2013 diagnostizierten Prostatakarzinoms bis 2015 in chemotherapeutischer Behandlung. Im Rahmen der stationären Nachsorge ließ der Kläger jeweils Oktober 2015 und August 2016 ein PET-CT durchführen.
Die behandelnden Ärzte des Klägers empfahlen ihm Anfang 2017 erneut eine PET-CT zur Aufklärung bei Verdacht neuer Metastasen im Bereich der Prostata durchführen zu lassen. Eine Terminbestätigung für den 24.05.2017 erhielt er am 26.04.2017. Vor diesem Hintergrund erkundigte sich der Kläger telefonisch am 22.05.2017 bei der Beklagten, ob die Kosten für diese PET-CT erstattet werden würden. Ein Mitarbeiter der Beklagten teilte ihm mit, er solle die Untersuchung zunächst durchführen lassen; die Beklagte werde die Kosten der Maßnahme im Wege der Einzelentscheidung erstatten.
Der Kläger führte sodann unter dem 24.05.2017 die Untersuchung mittels PET-CT durch. Mit Schreiben vom 25.07.2017 (bei der Beklagten eingegangen am 27.07.2017) forderte der Kläger die Beklagte unter Attestvorlage zur Erstattung der Behandlungskosten in Höhe von 1.269,19 € auf.
Die Beklagte lehnte die Kostenerstattung mit Bescheid vom 11.09.2017 (zugegangen am 13.09.2017) unter Bezugnahme auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 04.09.2017. Die PET-CT sei beim klägerischen Krankheitsbild als „neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode“ zu klassifizieren und damit nicht erstattungsfähig. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei nicht gegeben.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung stützte sich die Beklagte weiterhin auf die fehlende medizinische Indikation der PET-CT. Sie wies zuletzt darauf hin, dass der Kläger den gesetzlich vorgesehenen Beschaffungsweg nicht eingehalten habe.
Dagegen hat der Kläger am 06.03.2018 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Er ist der Ansicht, im stünde die Kostenerstattung bereits deswegen zu, weil eine Genehmigungsfiktion eingetreten sei. Zumindest habe er einen Anspruch auf Kostenerstattung wegen Systemversagen, da...