Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Vermögenseinsatz. eheähnliche Gemeinschaft. Getrenntleben. Unterbringung im Pflegeheim. Trennungswille. Verweigerung der Übernahme ungedeckter Heimkosten durch den in der Wohnung verbleibenden Partner. kein fiktiver Vermögensverbrauch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein die (dauerhafte) Aufnahme eines Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft in ein Pflegeheim und der dadurch bedingte Wegfall der bisherigen Wirtschaftsgemeinschaft bewirkt kein Getrenntleben im sozialhilferechtlichen Sinn. Hinzukommen muss vielmehr der nach außen erkennbar bekundete Wille eines der Partner, sich von dem anderen Partner unter Aufgabe der bisherigen Lebensgemeinschaft dauerhaft zu trennen.

2. Auch die bloße Weigerung des in der bisher gemeinschaftlichen Wohnung verbleibenden Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft, die ungedeckten Heimkosten des anderen Partners aus seinem Vermögen zu bestreiten, führt für sich nicht zur Beendigung der eheähnlichen Gemeinschaft.

3. Die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs ist in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage rechtlich nicht zulässig.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme ungedeckter Heimkosten aus Mitteln der Hilfe zur Pflege nach den Bestimmungen des Siebten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit ab dem 05.02.2014.

Die 1934 geborene Klägerin und der 1940 geborene C. M. (im Folgenden: M) bewohnten ab dem 20.11.1965 gemeinsam eine Wohnung im Anwesen X-Str. 6, B.. Neben 5 Kindern aus der Ehe mit ihrem 1966 verstorbenen Ehemann hat die Klägerin mit M einen 1971 geborenen Sohn.

Die Klägerin bezieht von der ... - Pflegekasse - K. seit dem 01.02.2014 Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II und seit dem 01.08.2014 nach der Pflegestufe III (Bescheide vom 19.03. und vom 11.09.2014). Wegen ihrer Gesundheitsstörungen ist sie seit dem 05.02.2014 vollstationär im E. Altenzentrum B. untergebracht, zunächst im Rahmen von Kurzzeit- (bis zum 26.02.2014) und Verhinderungspflege (vom 27.02. bis zum 20.03.2014), seit dem 21.03.2014 zur Dauerpflege. Seither bewohnt M die zuvor gemeinsam genutzte Wohnung allein. Nach den Angaben der Klägerin sieht sich M ihr gegenüber weiterhin emotional verbunden und besucht sie regelmäßig, nach Auskunft der Pflegedienstleitung des Altenzentrums B. täglich, im Pflegeheim. Nach den Angaben der Tochter U. der Klägerin sind die Pflegeheimkosten bis einschließlich 31.05.2014 bezahlt.

Den Antrag der Klägerin vom 04.03.2014 auf Gewährung von Hilfe zur Pflege ab dem 05.02.2014 lehnte der Beklagte nach weiterer Sachaufklärung (u.a. zu den Einkünften und Vermögensverhältnissen des M) und Anhörung der Klägerin (Schreiben vom 23.10.2014) mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht hilfebedürftig. Sie und M verfügten über Vermögen auf Giro- und Sparkonten zum 28.02.2014 in Höhe von insgesamt 16.499,86 €. Unter Abzug eines Vermögensfreibetrages von 3.214,00 € verbleibe ein zu berücksichtigendes Vermögen von 13.285,86 €. Dieses Vermögen könne die Klägerin vorrangig zur Begleichung der ungedeckten Heimkosten einsetzen. Die Weigerung des M, die ungedeckten Heimkosten aus seinem Sparvermögen zu bestreiten, führe zu keinem anderen Ergebnis (Bescheid vom 28.11.2014).

Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, sie könne auf das Sparvermögen des M. keinen Zugriff nehmen. Außerdem habe sie über ihre Prozessbevollmächtigte bereits versucht, M zur Übernahme der offenen Heimkosten zu bewegen. Hierauf habe sie indes keine Antwort erhalten. Sie sei daher bedürftig. Deshalb komme es nicht darauf an, ob zwischen ihr und M noch eine Bedarfsgemeinschaft bestehe; jedenfalls übernehme M. ihr gegenüber keine finanzielle Verantwortung mehr. Insoweit sei von einer einseitigen Aufkündigung der vormals bestehenden eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen. Im Übrigen wäre das Sparvermögen spätestens mit Ablauf des Monats Januar 2015 verbraucht gewesen. Ergänzend verweist die Klägerin auf den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Reutlingen vom 08.11.2006 - S 12 SO 3629/06 ER -. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück: nach den Bestimmungen des SGB XII dürften Personen in eheähnlicher Gemeinschaft hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden als Ehegatten. Deshalb bestimme sich die Hilfebedürftigkeit der Klägerin nach ihren eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie denen ihres eheähnlichen Partners M. Diese eheähnliche Lebensgemeinschaft bestehe weiterhin. Allein die räumlich getrennte Unterbringung führe zu keinem abweichenden Ergebnis, nachdem ein aktiv geäußerter Wille eines der Lebensgefährten, die eheähnliche Lebensgemeinschaft zu beenden, nicht festzustellen sei. Allein die Weigerung des M. zur Übernahme ungedeckter Heimkosten aus seinem Vermögen lasse ein Aufgeben des Bekenntnisses zur Leben...

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