Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten. Erlöschen eines Arbeitslosengeldanspruchs wegen Sperrzeit von mindestens 21 Wochen. Prüfungsobliegenheit des Grundsicherungsträgers. keine Bindungswirkung des bestandskräftigen Bescheids der Bundesagentur für Arbeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Jobcenter hat die Tatbestandsvoraussetzungen eines Ersatzanspruchs bei sozialwidrigem Verhalten eigenständig zu prüfen.

2. Ein Bescheid der Bundesagentur für Arbeit über das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen des Eintritts von Sperrzeiten von mindestens 21 Wochen entfaltet - auch wenn er bestandskräftig ist - keine Tatbestandswirkung im Rahmen des Ersatzanspruchs bei sozialwidrigem Verhalten.

3. Alleine das Nichteinlegen von Rechtsbehelfen gegen zu Unrecht ergangene Sperrzeitbescheide begründet nicht den Vorwurf sozialwidrigen Verhaltens.

 

Tenor

Der Bescheid vom 05.01.2015 in der Fassung des Bescheids vom 17.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2015 wird aufgehoben.

Der Beklagte erstattet dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist das Bestehen eines Ersatzanspruchs des Beklagten (Bekl.) bezüglich der dem Kläger (Kl.) in dem Zeitraum vom 01.07.2014 bis zum 23.09.2014 erbrachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) i. H. v. insgesamt 2.085,28 € wegen der grob fahrlässigen Herbeiführung der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem SGB II durch den Kl. im Streit.

Der am XX.XX.XXXX geborene Kl. bezog ab dem 01.03.2014 Arbeitslosengeld (Bescheid vom 10.03.2014). Die Bundesagentur für Arbeit hob die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 22.07.2014 auf, weil der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen des Eintritts von Sperrzeiten von insgesamt 21 Wochen erloschen sei (Bescheid vom 11.08.2014).

Auf den Antrag vom 29.07.2014 bewilligte der Bekl. dem Kl. durch Bescheid vom 23.09.2014 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis zum 31.12.2014. Durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 05.01.2015 machte er gegenüber dem Kl. einen Ersatzanspruch bezüglich der in dem Zeitraum vom 01.07.2014 bis zum 31.10.2014 erbrachten Leistungen nach dem SGB II i. H. v. insgesamt 2.731,33 € geltend. Der Kl. habe zumindest grob fahrlässig seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt. Aufgrund seines Verhaltens seien nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) Sperrzeiten für die Dauer von insgesamt 21 Wochen eingetreten. Deshalb sei der Anspruch auf Arbeitslosengeld erloschen.

Deswegen erhob der Kl. mit E-Mail vom 04.02.2015 und Schreiben vom 09.03.2015 Widerspruch. Er berief sich auf Vertrauensschutz und den Verbrauch der erhaltenen Leistungen. Er sei zur Erstattung nicht in der Lage. Durch Bescheid vom 17.03.2015 half der Bekl. dem Widerspruch insofern ab, als er den Erstattungsanspruch auf den Zeitraum vom 01.07.2014 bis zum 23.09.2014 beschränkte. Wegen der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Kl. zum 24.09.2014 hätte sein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu diesem Zeitpunkt geendet. Seine Hilfebedürftigkeit habe jedoch bis zum 30.09.2014 angedauert. Der Erstattungsbetrag reduzierte sich dementsprechend auf 2.085,28 €. Im Übrigen wies der Bekl. den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 19.03.2015 aus den bereits in dem Ausgangsbescheid genannten Erwägungen als unbegründet zurück.

Am 20.04.2015 hat der Kl. Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Zur Klagebegründung führt er aus, die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs lägen nicht vor. Er habe dem Bekl. von Beginn an über die von der Bundesagentur für Arbeit festgestellten Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 21 Wochen informiert. Auch habe er nicht grob fahrlässig gehandelt, da er mit seinem Ansprechpartner bei der Bundesagentur für Arbeit besprochen hatte, sich intensiv um eine versicherungspflichtige Beschäftigung in seinem erlernten Beruf zu bemühen und sich deshalb nicht auf sonstige Beschäftigungen zu bewerben.

Der Kl. beantragt,

den Bescheid vom 05.01.2015 in der Fassung des Bescheids vom 17.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2015 aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Bescheid und führt aus, die Bundesagentur für Arbeit habe die jeweiligen Sperrzeiten durch bestandskräftige Bescheide festgestellt. Deren Rechtmäßigkeit sei von ihm nicht zu prüfen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte des Bekl., der durch das Gericht beigezogenen Verwaltungsakte der Bundesagentur für Arbeit sowie den der Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist begründet. Der Bescheid vom 05.01.2015 in der Fassung des Bescheids vom 17.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2015 ...

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