Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Wechsel des Frauenhauses. Kostenerstattungspflicht des ursprünglich örtlich zuständigen Trägers. Unwirksamkeit eines Widerrufs durch kommunalen Träger nach Aufgabenübertragung auf Arbeitsgemeinschaft. sozialgerichtliches Verfahren. Beiladung
Leitsatz (amtlich)
1. Ziehen Hilfebedürftige nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in einem Frauenhaus in ein anderes Frauenhaus um, das von einem anderen kommunalen Träger betrieben wird, hat dieser keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Aufenthalt im Frauenhaus gegen den kommunalen Träger des anfangs bewohnten Frauenhauses. Dies gilt unabhängig von der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im anfangs bewohnten Frauenhaus.
2. Erstattungspflichtig bleibt nach einem Wechsel des Frauenhauses der Träger, in dessen Bereich die Hilfebedürftigen ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor Inanspruchnahme eines Frauenhauses hatten.
Orientierungssatz
1. Hat ein kommunaler Träger iS des § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 2 die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach dem SGB 2 auf eine Arbeitsgemeinschaft iS des § 44b Abs 1 SGB 2 übertragen, deren Geschäfte gem § 44b Abs 2 SGB 2 von einem Geschäftsführer geführt werden, so ist ein Widerruf (hier: eines Kostenanerkenntnisses) durch den kommunalen Träger unwirksam.
2. Infolge der Übertragung der kommunalen Aufgaben auf die Arbeitsgemeinschaft ist diese prozessrechtlich als Träger der Grundsicherung iS des § 75 Abs 5 SGG anzusehen und als Beigeladene verurteilbar.
Tenor
1. Die Beigeladene Ziff. 2. wird verurteilt, der Klägerin 33.690,64 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus ab dem 6.3.200X zu erstatten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beigeladene Ziff. 2. trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten in Höhe von 33.690,64 €, welche durch einen Aufenthalt von Frau D. mit drei minderjährigen Kindern im Frauen- und Kinderschutzhaus in K. im Zeitraum vom 20.12.200X bis zum 10.7.200X entstanden sind. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 36 a Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung.
Die aus dem Kongo stammende D., geb. am ..., hält sich gemäß Stellungnahme der Diplom-Sozialpädagogin Z. vom ...200X (vgl. Akte der Beklagten) seit Anfang 199X in Deutschland auf. Zuletzt war sie mit ihren Kindern und ihrem Ehemann wohnhaft in S. Wegen massiver psychischer und physischer Misshandlungen flüchtete sie mit ihren minderjährigen Kindern C., geb. ...1994, J., geb. ...1996 und N., geb. am ...2000, aus der ehelichen Wohnung in das Frauen- und Kinderschutzhaus M., wo sie sich vom 2.9.200X bis zum 20.12.200X aufhielt. Über die in diesem Zeitraum von der Beklagten erbrachten Leistungen ist zwischen der Beklagten und der Beigeladenen Ziff. 2 ein Klageverfahren beim Sozialgericht M. anhängig.
Weil D. im Frauenhaus M. Entdeckung drohte, verlegte sie gemeinsam mit ihren drei minderjährigen Kindern am 20.12.200X den Aufenthalt in das Frauen- und Kinderschutzhaus K., wo sie sich bis zum 10.7.200X aufhielten. Auf die diesbezüglichen Bescheinigungen des Frauen- und Kinderschutzhauses K. vom ...200X und vom ...200X wird Bezug genommen.
Am 20.12.200X beantragte D. für sich und ihre drei minderjährigen Kinder Leistungen nach dem SGB II, insbesondere die Übernahme der Kosten der Unterkunft und psychosozialen Betreuung im Frauenhaus, bei der Klägerin, welche dem Antrag entsprach und im hier streitigen Zeitraum den bereits in Bezug genommenen Personen Arbeitslosengeld II bewilligte und die Kosten für den Aufenthalt dieser Personen im Frauenhaus übernahm. Auf die Bescheide der Klägerin vom ... wird inhaltlich Bezug genommen. Die Klägerin beziffert die für den Aufenthalt der genannten Personen im streitigen Zeitraum im Frauenhaus K. entstandenen Kosten mit insgesamt 33.690,64 €, davon Kosten der Unterkunft und Heizung insgesamt 8.495,74 € und Kosten für psychosoziale Betreuung 25.194,90 €. Auf die Aufstellung auf Bl. 363 bis 369 der Verwaltungsakte der Klägerin wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 2.1.200X, gerichtet an die Bundesagentur für Arbeit in S., teilte die Klägerin mit, Frau D. befinde sich seit dem 20.12.200X im Frauenhaus in K. und erhalte ab diesem Zeitpunkt Leistungen nach dem SGB II von der Klägerin. Sie habe vor ihrem Zuzug nach K. ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Agentur für Arbeit S. gehabt. Im Hinblick auf § 36 a SGB II und die dort normierte Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus werde die Anerkennung der Kostenerstattungspflicht ab dem 20.12.200X beantragt. Kostenerstattung werde für alle vom kommunalen Träger zu erbringenden Leistungen geltend gemacht, insbesondere die Kosten der Unterkunft und die Kosten der psychosozialen Betreuung im Frauenhaus. Im Falle der Unzuständigkeit für die Kostenerstattung werde gebeten, den Antrag an den zuständigen kommunalen Träger weiterzuleiten.
Hierauf erkannte die Beigeladene Ziff. 2. gegenüber ...