Entscheidungsstichwort (Thema)
Gründungszuschuss. Zusage durch E-Mail. keine wirksame Zusicherung. Gesetzesänderung. Vertrauen auf die Förderung. Informationspflicht der BA. Ermessensreduzierung auf Null
Leitsatz (amtlich)
Das Inaussichtstellen eines Gründungszuschusses per E-Mail, das die Voraussetzungen einer Zusicherung zwar nicht erfüllt, beim Antragsteller aber gleichwohl ein berechtigtes Vertrauen in die Fördervoraussetzungen begründet, kann das Entschließungsermessen auf Null reduzieren. Ändern sich die gesetzlichen Voraussetzungen, ist die Agentur für Arbeit in einem solchen Fall in der Pflicht, den Antragsteller zu informieren, so dass er sein Verhalten danach ausrichten und zulässige Gestaltungsmöglichkeiten wahrnehmen kann (hier: Gesetzesänderung zum 1.1.2012).
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.02.2012 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.06.2012 einen Gründungszuschuss in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung eines Gründungszuschusses im Hinblick auf eine zum 01.01.2012 hauptberuflich aufgenommene selbstständige Tätigkeit.
Die Beklagte gewährte dem am … 1953 geborenen Kläger mit Bescheid vom 18.02.2011 ab dem 01.02.2011 Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für die Dauer von 540 Tagen mit einem täglichen Leistungsbetrag von 75,24 Euro (= 2.257,20 Euro monatlich).
Am 25.05.2011 beantragte der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses im Hinblick auf einen Einstieg als Teilhaber bei der Firma ..., einem Landschafts- und Gartenbauunternehmen. Zum 01.09.2011 trat der Kläger dort zunächst im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung ein. Am 02.11.2011 erfolgte die Eintragung als Kommanditist mit Einzelprokura im Handelsregister (Eintragungsnachricht des Amtsgerichts Mannheim vom 04.11.2011).
Laut von der Beklagten vorgelegten Beratungsvermerken teilte diese dem Kläger mehrfach mit, dass zum 01.01.2012 eine Gesetzesänderung einträte, die Auswirkungen auf den Anspruch auf Gründungszuschuss, insbesondere die Anspruchsdauer, haben könne.
Am 18.11.2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, eine hauptberufliche Tätigkeit im Rahmen der Selbstständigkeit werde er erst zum 01.01.2012 aufnehmen. Vorher befinde er sich lediglich in der Anlaufphase. Über die eintretende Gesetzesänderung wisse er Bescheid, beginne seine Tätigkeit aber trotzdem nicht vorher.
Mit E-Mail vom 18.11.2011 teilte die Beklagte dem Kläger sodann mit, dass die Antragsunterlagen vollständig seien und Gründungszuschuss somit auch zum 01.01.2012 bewilligt werden könne. Sie warte aufgrund der ausstehenden Gesetzesänderung aber noch etwas mit der Bearbeitung ab. Sollte sich in nächster Zeit nichts Konkretes ergeben, würden die Antragsunterlagen ca. Anfang bis Mitte Dezember mit positiver Entscheidung an die Leistungsabteilung zur Auszahlung gegeben.
Mit Bescheid vom 17.01.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gründungszuschusses ab. Darin heißt es zur Begründung, die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung von Gründungszuschusses seien zwar erfüllt. Im Rahmen der Ermessensabwägung müssten jedoch die persönlichen Interessen des Klägers gegenüber denjenigen der Beitragszahler zurücktreten. Es sei zum einen der Vorrang der Vermittlung nach § 4 Abs. 2 SGB III zu berücksichtigen. Zum anderen steige der Kläger in einen seit Jahren geführten Betrieb mit festem Kundenstamm ein und führe diesen nahezu unverändert fort. Es seien keine Umstände erkennbar, welche die Ertragslage des Unternehmens über marktübliche Schwankungen hinaus so beeinträchtigten, dass die Erträge nicht zur Abdeckung des Lebensunterhalts und der sozialen Sicherung ausreichten. Zudem bestehe aufgrund ausreichender Eigenleistungsfähigkeit des Klägers - dieser habe nach den vorgelegten Unterlagen ein Eigenkapital von 25.000,00 Euro eingebracht - keine Vaternotwendigkeit.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 23 01.01.2012 und trug vor, bei der Einschätzung der Gefährdung der Selbstständigkeit müsse die Beklagte die Situation des Betriebes vor seinem Einstieg berücksichtigen. Trotz eines großen Kundenstamms habe dem Unternehmen eine klare, kompetente kaufmännische Führung gefehlt. Durch das Einbringen seines Kapitals habe ein Teil der vorhandenen Verbindlichkeiten gedeckt und eine Basis für die betriebswirtschaftliche Gesundung des Unternehmens geschaffen werden können. Er habe hohe Eigenleistungen erbracht. Erst die mündlichen Absprachen mit Mitarbeitern der Beklagten bezüglich des Gründungszuschusses und dessen Einplanung in das laufende Geschäft hätten zur Entscheidung für den Einstieg in das Unternehmen geführt. Weitere finanzielle Eigenleistungen in der Größenordnung des Gründungszuschusses seien vor Ablauf der Hauptsaison 2012 nicht möglich.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruch...