Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. wichtiger Grund. Teilnahme an beruflicher Weiterbildung. Zumutbarkeit. berufsbegleitende Fortbildung. Kündigungszeitpunkt
Leitsatz (amtlich)
Löst der Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, um an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung teilzunehmen, so kann er sich ggf. auf einen wichtigen Grund berufen; eine Sperrzeit nach § 159 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB III tritt dann nicht ein. Allerdings obliegt es dem Arbeitnehmer, die Belastung für die Versichertengemeinschaft so gering wie möglich zu halten: Sofern zumutbar, hat er die berufliche Fortbildung daher in Teilzeit neben seiner Beschäftigung durchzuführen. Kommt eine berufsbegleitende Fortbildung nicht in Betracht, muss er sein Arbeitsverhältnis zum arbeitsrechtlich letztmöglichen Zeitpunkt kündigen, um die Arbeitslosigkeit kurz zu halten.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 9.8.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.8.2017 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. - 10.9.2017 zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Berufung für die Beklagte wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 1.9.2017.
Der Kläger war seit dem 16.3.2016 bei der Privatbrauerei W. als Brauer beschäftigt. Mit Schreiben vom 3.7.2017 kündigte er das Arbeitsverhältnis zum 31.8.2017 und gab zur Begründung an, er wolle ab dem 11.9.2017 eine Meisterschule besuchen.
Am 5.7.2017 meldete sich der Kläger bei der Beklagten zum 1.9.2017 arbeitslos.
Mit Bescheid vom 9.8.2017 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab. Zur Begründung gab sie an, in der Zeit vom 1.9. - 23.11.2017 sei eine Sperrzeit eingetreten; während dieser Zeit ruhe der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis mit der Fa. W. selbst gelöst. Er habe voraussehen müssen, dass er dadurch arbeitslos wird. Sein Wunsch, sich beruflich weiterzubilden, reiche bei Abwägung mit den Interessen der Versichertengemeinschaft nicht aus, um die Arbeitsaufgabe zu rechtfertigen. Auch nach Ablauf der Sperrzeit habe der Kläger keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld: Er besuche ab dem 11.9.2017 eine Meisterschule und stehe daher ihren Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung.
Hiergegen legte der Kläger am 15.8.2017 Widerspruch ein. Er machte geltend, in einem vergleichbaren Fall habe das Sozialgericht Karlsruhe mit Urteil vom 8.11.2016 entschieden, eine Sperrzeit trete nicht ein, wenn ein Arbeitnehmer seine Beschäftigung aufgibt, um an einer Bildungsmaßnahme teilzunehmen, die eine zusätzliche Befähigung vermittelt und die nicht berufsbegleitend ausgeübt werden kann. So verhalte es sich hier. Angesichts dessen stehe ihm ab dem 1.9.2017 Arbeitslosengeld zu.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.8.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus, gemäß § 2 Abs. 5 SGB III habe ein Arbeitnehmer zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen - es sei denn, er habe einen wichtigen Grund für eine Arbeitsaufgabe. Dieser Grund müsse objektiv vorliegen, und zwar bereits zum Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses. Erfolge die Arbeitsaufgabe, um eine Weiterbildung zu absolvieren, sei ein wichtiger Grund nur anzuerkennen, wenn es sich hierbei um eine “abschlussorientierte Qualifizierungsmaßnahme„ handele, für die der Arbeitnehmer bereits einen Bildungsgutschein erhalten hat oder sicher erhalten wird; nur dann sei von einem arbeitsmarktpolitischen Interesse an der Qualifizierung auszugehen. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Der Kläger hätte die Beschäftigung bei der Fa. W. ohne weiteres fortsetzen können. Sein privates Interesse, durch den Besuch der Meisterschule eine höhere berufliche Qualifikation zu erlangen, sei nachrangig gegenüber dem Interesse der Versichertengemeinschaft. Auch eine besondere Härte, die gemäß § 159 Abs. 3 SGB III eine Verkürzung der Sperrzeit rechtfertigen könnte, sei nicht ersichtlich.
Mit der am 28.8.2017 erhobenen Klage verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Er trägt ergänzend vor, er habe eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer abgeschlossen. Allerdings sei es von Anfang an sein Wunsch gewesen, sich zum Brauereimeister weiterzubilden. Für ihn habe keine Möglichkeit bestanden, diese Weiterbildung berufsbegleitend zu absolvieren: Nach seiner Kenntnis gebe es in Deutschland lediglich drei einschlägige Meisterschulen. Zwei davon böten Unterricht ausschließlich in Vollzeit an. An einer einzigen Schule (in K.) sei die Weiterbildung auch in Teilzeit möglich, nämlich am Freitag von 14:30 - 18:30 Uhr und am Samstag von 8:00 - 12:00 Uhr. Allerdings hätte er diese Teilzeit-Weiterbildung in K. nicht mit seiner Beschäftigung bei der Fa. W. vereinbaren können. Denn für seine Arbeitgeberin habe er von Montag bis Freitag ganztags gearbeitet, gelegentlich auch...