Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Leistungspflicht. prophylaktische Mastektomie bei erhöhtem Brustkrebsrisiko
Leitsatz (amtlich)
Nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse besteht kein hinreichendes Potential einer erfolgreichen Behandlungsalternative für eine prophylaktische Mastektomie bei erhöhtem Brustkrebsrisiko, wenn keine BRCA 1 - oder BRCA 2 - Genmutation vorliegt.
Orientierungssatz
Das Erkrankungsrisiko einer Versicherten ist nicht mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung vergleichbar.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit steht eine nipple-sparing Mastektomie mit anschließender Implantatrekonstruktion der linken Brust als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Die 1988 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger litt unter einem Mammakarzinom an der rechten Brust. Im April 2015 erfolgte deswegen bereits eine nipple-sparing Mastektomie der rechten Brust mit anschließender Implantatrekonstruktion.
Unter Vorlage eines ärztlichen Berichtes der Frauenklinik des Universitätsklinikums T. vom 25.11.2015, beantragte die Klägerin am 12.02.2016 eine prophylaktische Mastektomie links. Dem ärztlichen Bericht ist zu entnehmen, dass die humangenetische Diagnostik keinen Genmutationsnachweis gezeigt habe, die Klägerin jedoch im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung auf Grund des jungen Erkrankungsalters ein erhöhtes Erkrankungsrisiko habe. Der Wunsch der Klägerin nach einer prophylaktischen Mastektomie links werde daher unterstützt. Empfohlen werde eine nipple-sparing Mastektomie mit Implantatrekonstruktion links.
Mit Schreiben vom 16.02.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, der Antrag sei dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) weitergeleitet worden. Mit Schreiben vom 23.02.2016 forderte die Beklagte bei der Klägerin einen ausführlichen Facharztbrief der humangenetischen Untersuchung an, welchen die Klägerin mit Eingang am 29.03.2016 überließ.
Daraufhin erteilte der MDK unter dem 07.04.2016 ein sozialmedizinisches Gutachten. In diesem kam der Gutachter W. zu dem Ergebnis, die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Leistung seien nicht erfüllt. Bei der Klägerin sei im April 2015 auf Grund eines G3 Mammakarzinoms rechts eine nipple-sparing Mastektomie und Implantation eines Implantates rechts mit anschließender Radiatio und Chemotherapie erfolgt. Eine humangenetische Untersuchung habe keine Gen-Mutationen gezeigt. Damit bestehe kein Hinweis auf das Vorliegen einer familiären Disposition. Eine Wahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der eigenen Erkrankung Anlagenträgerin zu sein liege im Bereich der Allgemeinbevölkerung. Entsprechend der S3-Leitlinie für Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms könne die Kostenübernahme für eine prophylaktische Mastektomie nicht empfohlen werden.
Mit Bescheid vom 11.04.2016 lehnte die Beklagte den Antrag unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK ab.
Hiergegen erhob die Klägerin am 11.05.2016 Widerspruch. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, sie habe durch den Austausch mit anderen Betroffen und deren Erfahrungen erleben müssen, dass der Krebs auch ohne Gendefekt in der anderen Brust zurück gekommen sei. Sie verwies auf den ärztlichen Bericht der Frauenklinik T. vom 25.11.2015. Im Nachgang überließ die Klägerin außerdem ein Attest der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie T. vom 30.05.2016, wonach der Wunsch der Klägerin auch zur Verhinderung einer Destabilisierung des psychischen Zustandes befürwortet werde.
Die Beklagte beauftragte erneut den MDK mit einer Begutachtung. Dr. U. gelangte in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 11.07.2016 wieder zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Leistung nicht erfüllt seien. Die leitliniengerechte Nach- bzw. Vorsorge sowie eine begleitende Psychotherapie seien ausreichend und empfehlenswert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2016 wies die Beklagte auch den Widerspruch der Klägerin zurück und berief sich zur Begründung auf die Gutachten des MDK.
Hiergegen richtet sich die am 21.11.2016 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobene Klage. Die Klägerin beruft sich zur Begründung der Klage im Wesentlichen auf die bereits im Verwaltungsverfahren überlassenen Berichte des Universitätsklinikums T.. Es liege ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko vor. Der Klägerin sei nicht zuzumuten den Beginn der Erkrankung abzuwarten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2016 zu verurteilen, die Kosten einer nipple-sparing Mastektomie mit anschließender Implantatrekonstruktion der linken Brust zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und beruft sich zur Begründung auf das Verwaltungsverfahren und die Stellungnahmen des MDK.
Sie hat mitgeteilt, dass d...