Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufrechnungserklärung als Verwaltungsakt. Anspruch auf Erstattung von Vorverfahrenskosten. Forderungsübergang auf Rechtsanwalt. Zulässigkeit der Aufrechnung mit Darlehensrückzahlungsansprüchen des Grundsicherungsträgers
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Aufrechnungserklärung handelt es sich um einen Verwaltungsakt.
2. Die Behörde kann gegen Ansprüche aus § 63 Abs 1 S 1 SGB 10 mit Darlehensrückzahlungsansprüchen aufrechnen, ohne den Einschränkungen der § 51 SGB 1, §§ 42a, 43 SGB 2 zu unterliegen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Aufrechnung der Beklagten gegen einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer Kosten für ein sogenanntes isoliertes Vorverfahren.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 30. August 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011. Unter dem 25. Januar 2011 beantragte die Klägerin die Überprüfung dieses Bescheides. Daraufhin bewilligte ihr der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 8. April 2011 höhere Leistungen nach dem SGB II für den genannten Zeitraum. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 6. Mai 2011 Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 26. Juni 2012 wurde die Leistungsbewilligung erneut geändert.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als nach Erteilung des Änderungsbescheides vom 26. Juni 2012 unbegründet zurück. Zugleich erklärte sie sich bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Die Klägerin machte daraufhin Rechtsanwaltskosten in Höhe von 395,08 Euro geltend.
Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. August 2012 erklärte sich der Beklagte bereit, Kosten in Höhe von 210,21 Euro zu erstatten. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag rechnete er den Betrag gegen eine Restforderung aus einem der Klägerin mit Bescheid vom 27. Januar 2012 gewährten Darlehen auf.
Gegen die Aufrechnungserklärung legte die Klägerin mit Schreiben vom 17. September 2012 Widerspruch ein. Sie vertrat die Ansicht, dass wegen § 51 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) i.V.m. § 54 Abs. 2 und 4 SGB I ein grundsätzliches Aufrechnungsverbot bestehe. Zudem sei im vorliegenden Fall zuvor Beratungshilfe bewilligt worden. Soweit nunmehr der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin die Kosten der Wahrnehmung ihrer Rechte zu ersetzen, habe er die gesetzliche Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwaltes zu zahlen. Der Anspruch gehe auf den Rechtsanwalt über. Der kraft Gesetz auf den Rechtsanwalt übergegangene Anspruch könne nicht durch eine Aufrechnung umgangen werden.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. September 2012).
Mit der am 18. Oktober 2012 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Erklärung der Aufrechnung im Schreiben vom 27. August 2012. Sie trägt, dass es sich bei der Aufrechnungserklärung um einen Verwaltungsakt handele. Außerdem verweist sie erneut auf das grundsätzliche Aufrechnungsverbot des § 51 SGB I i. V. m. § 54 Abs. 2 und 4 SGB I und darauf, dass der Vergütungsanspruch gemäß § 9 Beratungshilfegesetz auf ihren Rechtsanwalt übergegangen ist.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 27. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2012 aufzuheben, soweit darin eine Aufrechnung erklärt worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akte des Gerichts sowie auf die beigezogene Akte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
2. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
a) Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Mit der Klage angegriffen ist die Aufrechnungserklärung der Beklagten vom 27. August 2012 und der Widerspruchsbescheid vom 17. September 2012.
Die Anfechtungsklage ist statthaft, weil es sich bei der Aufrechnungserklärung des Beklagten vom 27. August 2012 um einen Verwaltungsakt handelt. Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil mit dem Schreiben vom 27. August 2012 der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X zum Erlöschen gebracht werden soll, also eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen beabsichtigt ist. Damit...