Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs zur Begründung eines Anspruchs auf Opferentschädigung
Orientierungssatz
1. Zur Gewährung von Opferentschädigung müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 OEG voll bewiesen sein; dazu gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung.
2. Erforderlich ist der Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs. Dabei gilt nach § 6 Abs. 3 OEG die Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG. Es reicht die gute Möglichkeit; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber das Übergewicht zukommen.
3. Die Beweiserleichterung erfordert zumindest, dass der Antragsteller Angaben aus eigenem Wissen, jedenfalls aber überhaupt Angaben machen kann. Anderenfalls ist der Nachweis für das Vorliegen eines Angriffs i. S. des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG nicht erbracht.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
1. Die am ...1973 geborene Klägerin erstattete am 20.07.1995 Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Dabei gab die Klägerin an, M. habe sie vor sechzehn Jahren sexuell missbraucht. Sie sei seit zehn Jahren regelmäßig in psychotherapeutischer Behandlung. Bereits im Alter von sechs bis sieben Jahren habe sie psychotherapeutische Gespräche geführt. Durch die Psychotherapie in den letzten Jahren sei letztlich herausgekommen, ihre ganze seelische Verfassung basiere zum größten Teil darauf, im Alter von fünf Jahren von dem Tierarzt M. sexuell missbraucht worden zu sein. Im Alter von etwa vier Jahren seien ihre Eltern nach S. verzogen, da sie dort das Vereinsheim des Hockey- und Tennisclubs (HTC) gepachtet hätten. M. sei Gast im Vereinsheim des HTC gewesen. Dort sei es auch zu dem Übergriff gekommen. Sie mache die Anzeige erst nach sechzehn Jahren, da sie erst mit zehn oder elf Jahren die ersten Vermutungen gehegt habe und eigentlich erst seit eineinhalb Jahren sicher wisse, sexuell missbraucht worden zu sein. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren am 13.09.1995 wegen Strafverfolgungsverjährung ein.
In der Zeit vom 17.07.1996 bis 30.10.1996 befand sich die Klägerin in stationärer psychotherapeutischer Behandlung in der K-Klinik (vgl. Entlassbericht vom 08.11.1996). Dort diagnostizierten die Ärzte eine Reifungskrise bei V. a. Borderline-Persönlichkeitsstörung mit hysterischen Anteilen sowie eine Somatisierungsstörung. In dem Entlassbericht berichten die Ärzte, die Mutter sei bei Geburt der Tochter 19 Jahre alt gewesen, bei ungewollter Schwangerschaft sei ihr zur Abtreibung geraten worden. Da die Mutter selbst eine Ausbildung habe machen wollen, sei das Kind trotz heftiger Gegenwehr tagsüber durch eine Pflegefamilie betreut worden. 1976 habe der Vater einen Suizidversuch unternommen und sei von der dreijährigen Tochter gefunden worden. Schon als Kind hätten sich multiple körperliche Beschwerden wie Bauchschmerzen und Kopfschmerzen entwickelt. Ihre Mutter habe sich häufig mit der Betreuung der Tochter überfordert gefühlt. 1984 hätten sich die Eltern getrennt und zwei Jahre später scheiden lassen, als die Patientin dreizehn Jahre alt gewesen sei. Ab diesem Zeitpunkt hätten die psychogenen Anfälle begonnen. Mit acht Jahren sei sie erstmals psychotherapeutisch behandelt worden, mit neunzehn Jahren sei ein sechsmonatiger stationärer Therapieaufenthalt, ein Jahr später ein achtwöchiger erfolgt. Von 1993 bis 1994 habe sie sich in einer Einrichtung betreuten Wohnens befunden und sei dann in eine eigene Wohnung mit ihrem Freund verzogen. Auffällig sei, dass sie mehrmals erwähne, sexuell missbraucht worden zu sein.
Vom 27.01.1998 bis 24.04.1998 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der M.-Klinik. Dort diagnostizierten die Ärzte eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Borderline-Typus mit histrionischen und aggressiven Zügen. In dem Entlassbericht wird beschrieben, die Ehe der Eltern sei von häufigen Streitereien und Handgreiflichkeiten geprägt gewesen, das Familienleben wegen des Gaststättenbetriebs sehr chaotisch. Die Klägerin habe als Mädchen immer das Gefühl gehabt, zu kurz zu kommen. Die Klägerin sei für die Mutter ein offensichtlich ungewolltes Kind gewesen. Im Alter von zwei Jahren habe die Klägerin den Nachbarn tot im Garten gefunden. Die Klägerin gab an, im Alter von fünf Jahren sei sie von einem ihr gut vertrauten Mann, einem Tierarzt, der ihr eine Katze geschenkt habe, im elterlichen Gaststättenbetrieb sexuell (oral) missbraucht worden. Da der Mann ihr gedroht habe, wenn sie über dieses Erlebnis anderen erzähle, werde seine Katze ihm das berichten, habe sie in ihrer Verzweiflung versucht, die Katze zu ertränken, was aber misslungen sei. Schon früh seien Bauc...