Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Gesamt-GdB von 50. Versorgungsmedizinische Grundsätze. entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein höherer GdB als 30 ergibt sich für die entzündlich-rheumatische Erkrankung vorliegend nicht, da im Wesentlichen nur ein Befall der Hand- und Fingergelenke ohne gravierende entzündliche Veränderungen vorliegt.

 

Orientierungssatz

Zur Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) nach den in der Anlage zu § 2 VersMedV geregelten Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG), insbesondere Teil B Nr 18.2.1 (entzündlich-rheumatische Krankheit) sowie Teil B Nr 3.7 (psychische Störung - hier: chronische Schmerzstörung und reaktive Depression).

 

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 23. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 verpflichtet, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 40 ab Antragstellung festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte erstattet der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu 1/3.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) im Sinne des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).

Die am ... 1953 geborene Klägerin stellte am 01. August 2016 einen Erstantrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung beim Landratsamt Rastatt (LRA). Das LRA zog Befundunterlagen der behandelnden Fachärzte bei und anerkannte durch Bescheid vom 23. November 2016 einen GdB von 30 seit dem 01. August 2016. In der dem Bescheid zugrundeliegende Stellungnahme berücksichtigte der versorgungsmedizinische Dienst folgende Gesundheitsstörungen:

1.01 Entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke Einzel-GdB 30

Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin aus, sie habe eine Operation an ihrem Handgelenk gehabt.

Das LRA hörte erneut seinen ärztlichen Dienst an, der an seinen bisherigen Feststellungen festhielt. Der Beklagte wies den Widerspruch daraufhin durch Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2017 als unbegründet zurück.

Aus diesem Grund hat die Klägerin am 21. Juni 2017 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit welcher sie die Anerkennung eines GdB von 50 weiter verfolgt. Zur Klagebegründung trägt sie u.a. vor, die rheumatoide Arthritis verschlechtere sich zunehmend. Es handele sich um eine entzündlich-rheumatische Erkrankung mit mittelgradigen Auswirkungen, da dauernde erhebliche Funktionseinbußen und Beschwerden sowie eine therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität vorliegen würden, was einen GdB von 50 bedingen würde. Sie leide zudem an den Folgen einer reaktiven Depression; sie befinde sich bereits seit Herbst 2016 diesbezüglich in Therapie. Zudem bestehe bei ihr eine Sigmadivertikulitis. Ihrer Klagebegründung hat sie den vorläufigen Entlassbrief des Klinikums Mittelbaden vom 10. Juli 2017 beigefügt.

Das Gericht hat im Rahmen der Beweiserhebung die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. V. hat ausgeführt, sie schätze den GdB für die entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke auf 40. Die rheumatoide Arthritis könne nicht richtig behandelt werden, da unter der Immunsuppression schwere Probleme mit der Sigmadivertikulitis aufgetreten seien. Ihrer Aussage hat sie weitere ärztliche Unterlagen beigefügt. Der Hausarzt Dr. L. hat unter Vorlage von medizinischen Unterlagen keine GdB-Einschätzung getroffen. Der Arzt für Allgemeinmedizin und Psychosomatik Dr. W. hat den GdB auf 50-60 bei Berücksichtigung der seelischen Niedergestimmtheit geschätzt.

Das Gericht hat anschließend die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Orthopädie/Rheumatologie Dr. S. veranlasst. Dieser hat als Gesundheitsstörungen eine entzündliche rheumatische Erkrankung der Gelenke (Einzel-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Wirbelsäulenfehlstatik (Einzel-GdB 10) sowie eine chronische Schmerzstörung mit psychosomatischer Überlagerung im Rahmen einer reaktiven Depression (Einzel-GdB 20) festgestellt und den Gesamt-GdB mit 40 bewertet.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 zu verpflichten, bei ihr einen Grad der Behinderung von 50 ab Antragstellung festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er stützt sich auf die im Gerichtsverfahren vorgelegte versorgungsmedizinische Stellungnahme des Dr. R. vom 20. Juli 2018 und hält die angefochtenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig.

Das Gericht hat den endgültigen Entlassungsbrief des Klinikums M. vom 18. September 2017 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 17. August bis 30. August 2017 beigezogen, auf dessen Inhalt verwiesen wird.

Das Gericht hat zudem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2018 ergänzend befragt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsn...

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