Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Übernahme von Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Befreiung von der Versicherungspflicht. keine vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit. Wahrnehmung einer Gestaltungsmöglichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Übernahme der Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung durch den Träger der Grundsicherung nach dem SGB 12 nach Befreiung des Hilfeempfängers von der gesetzlichen Versicherungspflicht für die Dauer seiner Tätigkeit im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich in einer Werkstatt für behinderte Menschen.

2. Nimmt der Hilfeempfänger eine ihm anderweitig gesetzlich eingeräumte Gestaltungsmöglichkeit wahr, die er zudem nicht widerrufen kann, führt es seine Bedürftigkeit nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbei.

 

Tenor

Der Bescheid vom 14. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2013 sowie der Bescheid vom 10. Januar 2013 werden abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 10. September 2012 bis zum 30. September 2012 weitere 129,15 € und vom 01. Oktober 2012 bis zum 30. Juni 2013 monatlich weitere 184,50 € aus Mitteln der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für dessen private Kranken- und Pflegeversicherung zu gewähren.

Der Beklagte erstattet dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Aufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers aus Mitteln der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Bestimmungen des Vierten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) während der Tätigkeit des Klägers im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen in der Zeit vom 10.09.2012 bis zum 30.06.2013.

Der am ...1994 geborene Kläger ist schwerst pflegebedürftig (rollstuhlpflichtig) und erhält Leistungen der Pflegestufe III (Schreiben der D. Krankenversicherung AG vom 17.03.2011). Er ist außerdem als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt; weiter sind ihm die Nachteilsausgleiche “G„, “B„, “aG„, “H„, “RF„ und “Gl„ zuerkannt (Schwerbehindertenausweis des Landratsamts K. vom 30.11.2005). Der Kläger ist seit seiner Geburt privat krankenversichert. Der Beklagte gewährte ihm ab dem 01.03.2012 bis zum 31.08.2012 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII. Der Bedarfsberechnung legte er dabei den Regelsatz der Regelbedarfsstufe III, einen Mehrbedarf für erheblich Gehbehinderte in Höhe von 17 v.H. dieses Regelsatzes sowie die Aufwendungen für die private Krankenversicherung in Höhe von monatlich 184,50 € zugrunde (Bescheid vom 12.03.2012).

Seit dem 10.09.2012 ist der Kläger im Rahmen einer von der Agentur für Arbeit K. geförderten Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben bei den H. K. gGmbH, einer Werkstatt für behinderte Menschen, tätig, zunächst im Eingangsverfahren und seit dem 10.12.2012 bis voraussichtlich zum 09.12.2014 im Berufsbildungsbereich. Er erhält während dieser Zeitspanne von der Agentur für Arbeit K. Ausbildungsgeld nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs - Arbeitsförderung - (SGB III). Auf seinen Antrag stellte die AOK E. fest, der Kläger sei ab dem 10.09.2012 für die Dauer der Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben von der Verpflichtung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung befreit (Bescheid vom 20.09.2012).

Durch Bescheid vom 14.09.2012 stellte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen ab dem 01.09.2012 auf monatlich “349,83 €„ (tatsächlich: 403,65 €) neu fest. Bei der Bedarfsberechnung berücksichtigte er weiterhin den Regelsatz der Regelbedarfsstufe III (299,00 €) zzgl. eines Mehrbedarfs für behinderte Menschen in Höhe von 35 v.H. dieses Regelsatzes; die Aufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers blieben indes unberücksichtigt mit der Begründung, diese Beiträge seien für einen Empfänger von Grundsicherungsleistungen nicht angemessen, wenn er als Mitglied der gesetzlichen Kranken- und Pflegekasse bereits über eine Vorsorge für den Fall von Krankheit und Pflegebedürftigkeit verfüge.

Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, er sei seit seiner Geburt privat krankenversichert und habe sich von der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Dauer seiner Tätigkeit in der Werkstatt für behinderte Menschen befreien lassen. Er habe deshalb Anspruch auf weitere Übernahme der für seine private Krankenversicherung anfallenden Beiträge.

Durch Bescheid vom 10.01.2013 setzte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 01.01.2013 zunächst bis zum 30.06.2013 unter Aufhebung der für diese Zeitspanne bereits ergangenen Entscheidung auf monatlich 413,10 € fest. Seiner Bedarfsberechnung le...

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