Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rücknahme der Leistungsbewilligung wegen Nichtangabe von Vermögen. Sparguthaben auf Sparbuch, Festgeldkonto und Konto für Wachstumssparen. Großvater als Vermögensinhaber. Berücksichtigung des fiktiven Verbrauchs von Vermögen im Rahmen der Rückforderung zur Vermeidung der Doppelberücksichtigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Inhaber von Sparvermögen ist nicht stets derjenige, auf dessen Namen das Geld angelegt ist (Anschluss an BGH vom 18.1.2005 - X ZR 264/02 = EBE/BGH 2005, 71 und vom 12.12.1995 - XI ZR 15/95 = EBE/BGH 1996, 53).

2. Bei der Rückforderung von SGB-Leistungen wegen nicht angegebenen Vermögens ist - anders als bei einer erneuten Bewilligung - bei weiteren Bewilligungszeiträumen von dem jeweils im maßgeblichen Zeitpunkt festgestellten Vermögen der Vermögensteil abzusetzen, der bei ordnungsgemäßer Vermögensangabe im vorausgegangenen Bewilligungszeitraum und einer dieser Angabe entsprechenden Bewilligung hätte verbraucht werden müssen ("fiktiver Verbrauch") (Anschluss an BVerwG vom 18.7.1986 - 5 B 10/85 = Buchholz 436.36 § 28 BAföG Nr 1 zur Auslegung von § 45 SGB 10; Abweichung von LSG Berlin-Potsdam vom 12.3.2010 - L 5 AS 2340/08 sowie LSG Stuttgart vom 22.7.2011 - L 12 AS 4994/10 = info also 2011, 223).

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 03.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.02.2009 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Rücknahme von Bewilligungsbescheiden nach dem SGB II von Januar 2005 bis Oktober 2008 und eine Erstattungsforderung von (ursprünglich) ungefähr 8.500 €, weil Vermögen des Klägers zu 2 nicht angegeben worden sei.

Die Kläger zu 2, 3 und 4 sind die Söhne des Klägers zu 1 sowie der Klägerin im Verfahren S 13 AS 1224/09. Der Großvater des Klägers zu 2 legte (13 Tage nach dessen Geburt am …1992) ein Sparbuch über 2.692 DM auf den Namen seines Enkels an.

Die Kläger standen seit dem 01.01.2005 bei der Beklagten im Leistungsbezug nach dem SGB II. Diese erfuhr im September 2008 aufgrund eines Datenabgleichs nach § 52 SGB II davon, dass der Kläger zu 2 im Jahr 2007 Kapitalerträge in Höhe von 203 € erhalten habe, und forderte ihn zur Belegung von Einkommen und Vermögen auf. Seine Mutter oder sein Vater teilten der Beklagten mit, dass ihr Sohn mit dem Schreiben nichts anfangen könne, er tatsächlich Zinsen erhalten habe, sie davon allerdings nichts gewusst hätten und er das Geld auch nicht persönlich erhalten habe. Es handele sich um ein Sparkonto, dass die Großeltern nach der Geburt auf den Namen ihres Enkels angelegt hätten. Diese hätten es auch verwaltet. Sie (als Absender des Schreibens angegeben ist Familie S...) hätten keinerlei Einsicht oder sonstiges auf das Geld, könnten in keiner Weise darüber verfügen und hätten bis dahin nicht einmal gewusst, in welcher Höhe ein Sparkonto existiere. Der Kläger zu 2 solle das Geld erst erhalten, wenn für seine Großeltern der richtige Zeitpunkt gekommen sei.

Auf ein weiteres Anhörungsschreiben zur Guthabenshöhe seit Beginn der Zahlung von Arbeitslosengeld II reichten die Kläger eine Saldenbestätigung der Volksbank Pforzheim ein. Von Januar 2005 bis 06.03.2007 existierten ein Sparkonto sowie ein Konto Wachstumssparen, seitdem ein Sparkonto sowie eine Festgeldanlage. An den im Einzelnen von der Beklagten genannten Stichtagen betrug das Guthaben auf dem Konto “Wachstumssparen„ zwischen (ungefähr) 5.100 € und 5.400 €, die Festgeldanlage belief sich auf 6.000 €. Das Sparbuch wies ein Guthaben von zunächst ungefähr 400 € bzw. 500 € aus, seit der Festgeldanlage von ungefähr 190 € .

Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 03.11.2008 nahm die Beklagte im Einzelnen benannte Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.10.2008 zurück und forderte die Erstattung von Leistungen i.H.v. insgesamt 8.604,90 € (Kläger zu 1:: 2.161,34 €; Kläger zu 2: 4.714,90 €; Kläger zu 3: 864,33 €; Kläger zu 4: 864,33 €) Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger zu 2 über Vermögen verfüge, dass seinen Freibetrag (4.850 € bis 31.07.2006 bzw. 3.850 € ab 01.08.2006) übersteige. Er sei daher nicht bedürftig, das Kindergeld sei dem Kindergeldberechtigten zuzuordnen. Es sei davon auszugehen, dass das Vermögen dem Kläger zu 2 gehöre, da die Anlagen auf seinen Namen liefen. Unberücksichtigt bleibe, dass die Großeltern die Konten angelegt hätten. Ein Eigentumsvorbehalt sei nicht nachgewiesen worden, die Bank habe bestätigt, dass nur unter Zustimmung der Erziehungsberechtigten Vermögen für die Kinder angelegt werden könne.

Den ohne weitere Begründung erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2009, zugestellt am 18.02.2009 zurück.

Die Kläger haben am 18.03.2009 Klage beim SG Karlsruhe erhoben. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass das Vermögen nicht dem Kläger zu 2 gehöre. Die Anlage laufe zwar auf ihn, verfügungsberechtigt sei allerdings (allein) der Großvater, ...

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