Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Kommunikation des Klägers mit dem Beklagten per E-Mail im Streit.

Der 1962 geborene Kläger steht seit Jahren beim Beklagten im Bezug von Leistungen nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe (SGB XII), Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, wobei an Einkünften allein seine Rente zur Anrechnung gelangt, die er von der Deutschen Rentenversicherung bezieht. Der Kläger ist schließlich mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 schwerbehindert und verfügt über das Merkzeichen "G".

Gegen einen ihm erteilten Leistungsbescheid des Beklagten vom 27. Januar 2021 legte der Kläger noch am 27. Januar 2021 per einfacher E-Mail Widerspruch ein, worauf ihm der Beklagte noch mit Schreiben vom 27. Januar 2021 mitteilte, dass der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen werden müsste, da die Widerspruchseinlegung per einfacher E-Mail erfolgt sei. Gemäß § 84 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden sei, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen habe. Nach § 92 SGG, der die Anforderungen an den Inhalt einer Klageschrift normiere, werde zwar überwiegend gefordert, dass an den Widerspruch keine höheren Anforderungen gestellt werden könnten als an die Klage. Gemäß § 60a Abs. 1 SGG könnten die Beteiligten einem Gericht auch elektronischer Dokumente übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierung zugelassen worden sei. Nach den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften sei das Einreichen von elektronischen Dokumenten jedoch lediglich bei den entsprechenden Gerichten und Staatsanwaltschaften zulässig. Für Dokumente, die, wie der Widerspruch, einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstünden, sei eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes (SigG) vorgeschrieben. Diesem Erfordernis entspreche die E-Mail des Klägers nicht. Qualifizierte elektronische Signaturen seien elektronische Signaturen, die auf einem zum Zeitpunkt der Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhten und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt würden. Trotz der Verfügbarkeit moderner Kommunikationsmittel und dem sich allgemein durch Bürgerfreundlichkeit und fehlender Formstrenge auszeichnenden sozialrechtlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren müssten für die Wirksamkeit der Widerspruchseinlegung zur Sicherung der Authentizität- und Sicherungsfunktion besondere Anforderungen erfüllt sein. Für den Widerspruchsgegner müsse erkennbar sein, dass der Widerspruch vom Widerspruchsführer herrühre und dieser die Widerspruchsschrift wissentlich und willentlich in den Verkehr gebracht habe. Diese Sicherung der Authentizität sei durch einfache E-Mails nicht gewährleistet. Der Absender sei nicht ausreichend sicher identifizierbar und es bestehe eine größere Gefahr von Missbrauch und Täuschung durch Unbefugte.

Hierauf hat der Kläger am 23. März 2021 Klage vor dem Sozialgericht in Kassel erhoben, mit der er u.a. einerseits die Verpflichtung des Beklagten begehrt, mit ihm generell per einfacher E-Mail zu kommunizieren und es ihm andererseits gleichzeitig erlaubt werde, formgebundenen Schriftverkehr, wie z.B. bei der Einlegung von Widersprüchen, mit dem Beklagten per einfacher E-Mail zu führen.

Der Beklagte ist der Klageerhebung entgegengetreten. Die gesetzlich normierte Schriftform des Widerspruchs gemäß § 36 a SGB I könne im formgebundenen Schriftverkehr durch eine elektronische Form nur ersetzt werden, wenn die E-Mail eine qualifizierte elektronische Signatur enthalte, wobei klarstellend der Hinweis erlaubt sei, dass dem Kläger insoweit nicht generell jede elektronische Kommunikation per einfacher E-Mail mit der Fachabteilung des Beklagten verwehrt sei. Gerade bezogen auf den Kläger habe sich die E-Mail-Kommunikation zwischen ihm und der Fachverwaltung bewährt. Besonderheiten seien aber im Falle rechtserheblicher Erklärungen zu beachten, für die gesetzlich ein Schriftformerfordernis vorgesehen sei, wie z. B. die Einlegung eines förmlichen Widerspruchs. Ferner sei der Kläger darauf hinzuweisen, dass dem Schriftformerfordernis des Widerspruchs auch ein schlichtes Telefax genüge, wie es von ihm selbst in Fällen der Klageerhebung beim Sozialgericht Kassel bereits wiederholt praktiziert worden sei.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Beklagten zu verpflichten, mit ihm als Leistungsempfänger nach dem SGB XII generell per einfacher E-Mail zu kommunizieren und es ihm gleichzeitig und insbesondere zu erlauben, formgebundenen Schriftverkehr, wie z. B. bei der Einlegung von Widers...

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