Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Berücksichtigung von Fehlzeiten aufgrund eines Arbeitsunfalls in der früheren DDR als rentenrechtliche Pflichtbeitragszeiten
Orientierungssatz
Fehlzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit, die aufgrund eines in der früheren DDR erlittenen Arbeitsunfalls (hier: Wehrdienstunfalls) eingetreten sind und für die ein Verletztengeld geleistet wurde, können nicht als Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt werden, wenn sie vor dem 01.07.1983 lagen.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die beitragsrechtliche Bewertung von Rentenzeiten in der Zeit vom 13.08.1979 bis 31.12.1985.
Der 1954 geborene Kläger erlitt am 13.08.1979 einen anerkannten Wehrdienstunfall im Rahmen seines Dienstes bei der Nationalen Volksarme der DDR. In der Zeit vom 08.09. bis 31.12.1980, 24.10. bis 31.12.1981, 16.06. bis 31.12.1983 und 21.09. bis 31.12.1985 konnte der Kläger unfallbedingt seine Tätigkeit als Lehrer in C-Stadt nicht ausüben.
Mit Bescheid vom 10.06.2010 stellt die Beklagte gem. § 149 Abs. 5 SGB VI die Versicherungszeiten des Klägers bis 31.12.2003 verbindlich fest. Dabei berücksichtigte die Beklagte die durch den Wehrdienstunfall entstandenen Fehlzeiten als Arbeitsausfalltage.
Am 15.07.2010 erhob der Kläger dagegen Widerspruch indem er u.a. die Bewertung der wehrdienstunfallbedingten Fehlzeit als Arbeitsunfalltage bemängelt. Er begehrt die Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten auf der Basis des gezahlten Verletztengeldes.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Eine Berücksichtigung von Beiträgen auf der Basis des gezahlten Verletztengeldes komme nicht in Betracht. Ein Beitragsregress gem. § 119 SGB X komme vorliegend nicht in Betracht, weil diese Vorschrift erst auf Unfälle ab dem 01.07.1983 anzuwenden sei. Etwaige Schadensersatzansprüche seien derweil verjährt.
Am 07.06.2011 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht in Kassel erhoben. Er verfolgt sein anliegen weiter. Er hält die geltende Rechtslage für verfassungswidrig. Der Kläger ist der Auffassung, dass für die Zeit von 1979 und 1980 die Rechtslage in der DDR maßgeblich sei.
Der Kläger beantragt (wörtlich):
Den Bescheid der Beklagten vom 10.06.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die in der Zeit vom 13.08.1979 bis 31.12.1985 statt der im Sozialversicherungsausweis eingetragenen Arbeitsausfalltage Entgelt entsprechend dem seinerzeit gezahlten Verletztengeld im Rahmen von Pflichtbeiträgen zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt:
Die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bleibt bei ihrem Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Insbesondere komme ein Betragsregress gem. § 119 SGB X nicht in Betracht, weil diese Vorschrift in zeitlicher Hinsicht nicht zur Anwendung komme.
Mit Schreiben vom 07.11.2012 hat die Kammer die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Beklagtenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung gem. § 105 Abs. 1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid in Beschlussbesetzung - ohne ehrenamtliche Richter - entschieden werden, nachdem die Beteiligten zuvor darüber angehört wurden und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist sowie der Sachverhalt darüber hinaus, wie er für die Entscheidung allein rechtlich relevant ist, geklärt ist. Der Gerichtsbescheid wirkt insoweit als Urteil, § 105 Abs. 3, 1. HS SGG.
Die Kammer versteht das Rechtsschutzersuchen des Klägers gem. § 123 SGG dahingehend, dass er die Verpflichtung der Beklagten zur Änderung des Bescheides vom 10.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2011 begehrt, die in der Zeit vom 13.08.1979 bis 31.12.1985 festgestellten Arbeitsausfalltage als Pflichtbeitragszeiten unter Berücksichtigung des seinerzeit gezahlten Verletztengeldes zu berücksichtigen.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Pflichtbeitragszeiten unter Berücksichtigung von gezahltem Verletztengeld.
Dem Kläger steht für seinen Antrag kein Rechtsanspruch zur Seite. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich insbesondere nicht aus § 119 SGB X, weil diese Vorschrift gem. § 120 SGB X nur auf die Zeit ab 01.07.1983 Anwendung findet.
Die Kammer hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die geltende Rechtslage. Maßgeblich ist vorliegend die aktuell gültige Rechtslage der Bundesrepublik Deutschland. Das Gericht kann nicht erkennen, dass dem Kläger ein "Besitzstand" genommen wurde. Etwaig geleistete Beitragszeiten hat der Kläger weder behaupt...