Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des behinderten Menschen auf Kraftfahrzeughilfe gegen den Rentenversicherungsträger
Orientierungssatz
1. Der Rentenversicherungsträger erbringt nach § 9 Abs. 2 SGB 6 Teilhabeleistungen am Arbeitsleben als Ermessensleistungen nur, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Hierzu gehört u. a. die Kraftfahrzeughilfe, § 33 Abs. 3 Nr. 1,6, Abs. 8 Nr. 1 SGB 9.
2. Das dem Versicherungsträger bei der Gewährung von Kraftfahrzeughilfe eingeräumte Ermessen ist hinsichtlich Art und Umfang der Leistung durch die Vorschriften der Kraftfahrzeughilfeverordnung (KfzHV) eingeschränkt. Der zu gewährende Zuschuss richtet sich nach dem Einkommen des behinderten Menschen.
3. Überschreitet das monatliche Nettoeinkommen des Antragstellers die maßgebliche monatliche Bezugsgröße (2015: 2.130.- €.), so besteht kein Anspruch auf Zuschuss.
4. Ausnahmsweise können nach § 9 Abs. 1, 2 KfzHV bei Überschreiten der Bezugsgröße Leistungen als Darlehen gewährt werden, wenn dies zur Vermeidung besonderer Härten geboten ist.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt einen Zuschuss und ein zinsloses Darlehen zu den Anschaffungskosten für ein Kraftfahrzeug.
Die 1959 geborene Klägerin leidet an der Glasknochenkrankheit in Verbindung mit Kleinwuchs. Sie ist auf einen Elektrorollstuhl angewiesen. Die Klägerin arbeitet beim C. Hessen als diplomierte Sozialarbeiterin und ist beruflich und privat auf die Benutzung eines behinderungsgerecht umgebauten Kraftfahrzeuges angewiesen.
Die Klägerin beantragte am 13.11.2014 bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe für Versicherte in Form von Kraftfahrzeughilfe, da das vorhandene Fahrzeug nicht mehr wirtschaftlich sei. Sie übersendete einen Kostenvoranschlag in Bezug auf einen Mercedes-Benz Vito Tourer in Höhe von 35.070,49 €. Ihr Nettoarbeitsverdienst betrug im Oktober 2014 2.471,30 €.
Mit Bescheid vom 27.02.2015 erklärte sich die Beklagte für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Kraftfahrzeughilfe für grundsätzlich zuständig und forderte für die abschließende Entscheidung über den Antrag weitere Unterlagen bei der Klägerin an.
Weiterhin erklärte sich die Beklagte mit Schreiben vom 03.03.2015 grundsätzlich bereit, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu bewilligen.
Mit Bescheid vom 11.05.2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf ein zinsloses Darlehen ab, da die Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 9 Kraftfahrzeughilfeverordnung (KfzHV) ergeben habe, dass kein besonderer Härtefall vorliege. Darüber hinaus würden sich aus dem Akteninhalt auch keine besonderen Lebensumstände ergeben, die die Gewährung eines Darlehens begründen könnten.
Mit Bescheid vom 12.05.2015 lehnte die Beklagte darüber hinaus den Antrag auf einen Zuschuss mit der Begründung ab, dass die Bezugsgröße von 2.130,00 € für das Jahr 2015 überschritten sei, da das Nettoeinkommen der Klägerin 2.471,36 € betrage.
Mit Bescheid vom 13.05.2015 bewilligte die Beklagte die behinderungsbedingt erforderlichen Ausstattungen im Fahrzeug in vollem Umfang von 39.122,67 €
Gegen die ablehnenden Bescheide legte die Klägerin am 02.06.2015 jeweils Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2015 wies die Beklagte die Widersprüche jeweils zurück.
Am 03.09.2015 schloss die Klägerin einen Kaufvertrag über einen Mercedes Benz Vito Tourer zu einem Kaufpreis von 40.242,86 €. Den Kaufpreis finanziert sie durch ein Darlehen der D-Bank, für das sie monatliche Raten von 431,18 € aufzuwenden hat. Der Arbeitgeber der Klägerin bewilligte der Klägerin mit Vereinbarung vom 17.09.2015 einen Vorschuss auf die Gehaltszahlungen zur Finanzierung des Fahrzeugs in Höhe von 18.400,00 €, welches sie durch monatliche Raten von 200,00 € zu tilgen hat, das von ihrem monatlichen Gehalt einbehalten wird. Aus diesem Vorschuss entnimmt die Klägerin die monatlichen Zahlungen an die D-Bank. Ihr Nettoarbeitsverdienst betrug im September 2015 2.471,30 € und seit Januar 2017 2.678,19 €. Die Aufwendungen der Klägerin betragen für die Eigentumswohnung 490,00 €, die Heizung 96,00 €, Versicherung 30,13 €, Telefongrundgebühr 34,95 €, Rundfunkgebühren 5,99 €, Aufwendungen für Sport 5,00 €, Vollkaskoprämien 25,63 € und Hausgeld 259,00 €.
Gegen die Widerspruchsbescheide hat die Klägerin am 28.09.2015 jeweils Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich die Beklagte mit der Frage, ob ein Zuschuss im individuellen Fall der Klägerin nicht gem. § 9 Abs. 1 KfzHV zur Vermeidung besonderer Härten abweichend von den Maßgaben des § 6 KfzHV erbracht werden kann, nicht befasst habe bzw. habe dies allein hinsichtlich eines zudem beantragten zinslosen Darlehens getan. Sie bedürfe zur Aufrechterhaltung ihrer psychischen Kräfte bei der Bewältigung ihres Lebens der Gewissheit, unter allen Umständen finanziell so abgesichert zu bleiben, dass sie sich auch für den Fall unerwartet entstehender oder denkbarer ...