Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswirksame Eingliederungsvereinbarung als Voraussetzung einer Absenkung des Arbeitslosengeldes 2
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für eine Absenkung des Arbeitslosengeldes 2 ist eine Pflichtverletzung i. S. des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB 2 und damit die Existenz einer wirksamen Eingliederungsvereinbarung. Diese erweist sich dann als rechtswidrig, wenn dem Leistungsempfänger Pflichten auferlegt werden, die ihm nicht zumutbar sind.
2. Es kann von dem Leistungsempfänger nicht erwartet werden, dass er zehn Bewerbungen pro Monat erstellt, ohne dass ihm der hierfür erforderliche Betrag von dem Leistungsträger im Voraus zur Verfügung gestellt wird. Fehlt in der Eingliederungsvereinbarung jede Kostenregelung, so ist diese nicht rechtwirksam und für eine Absenkung des Arbeitslosengeldes 2 ungeeignet.
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2012 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheides vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2012, mit dem für den Zeitraum 01.12.2011 bis 29.02.2012 ein vollständiger Wegfall des Arbeitslosengeldes II festgestellt wurde.
Der Kläger stand jedenfalls in den Jahren 2010 und 2011 im Bezug von Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II bei der Beklagten.
Unter dem 17.06.2011 unterzeichnete der Kläger eine Eingliederungsvereinbarung. Es wurde vereinbart, dass er monatlich zehn Eigenbewerbungen zu erbringen habe und diese unaufgefordert jeweils am 16. eines jeden Monats unaufgefordert vorzulegen habe. Eine Regelung über die Erstattung für Kosten der Bewerbungen enthielt die Vereinbarung nicht. In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass bei der nächsten Pflichtverletzung (Verstoß gegen die Eingliederungsvereinbarung) der vollständige Wegfall der Leistungen nach dem SGB II drohe. Für den Zeitraum 17.09.2011 bis 16.10.2011 kam der Kläger dieser Vereinbarung nicht nach.
Mit Schreiben vom 20.10.2011 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Absenkung der Leistungen nach dem SGB II an. Die Höhe der Absenkung lässt sich aus der Anhörung nicht entnehmen.
Unter dem 21.10.2011 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag bei der Beklagten.
Der Kläger äußerte sich unter dem 10.11.2011 wie folgt zur beabsichtigten Absenkung: Da er keinen Computer habe, müsse er ins Internet Café, hierfür benötige er erst einmal Geld für eine Fahrkarte. Seine Mutter läge im Krankenhaus, und er habe sich sehr um deren Angelegenheiten kümmern müssen. Er habe 10 Bewerbungen abgegeben, diese seien von der Beklagten jedoch nicht angenommen worden, da sie zu spät gewesen seien (Bl. 375 d. VA). Im persönlichen Gespräch wurde er auf den vollständigen Wegfall der Leistungen aufgrund wiederholter Pflichtverletzungen hingewiesen.
Mit Bescheid vom 22.11.2011 senkte die Beklagte die Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.12.2011 bis 29.02.2012 vollständig ab. Auf die Gewährung von ergänzenden Sachleistungen in Form von Gutscheinen in Höhe von monatlich 167,00 Euro wurde hingewiesen (Bl. 378 d. VA).
Mit Bescheid vom 08.12.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.12.2011 bis 31.05.2012. Im Zeitraum 01.12. bis 29.02.2012 kam es aufgrund der eingetretenen Absenkung der Leistungen zu keiner Auszahlung. Die Beklagte nahm für Dezember 2011 einen Bedarf in Höhe von 514,00 Euro und für die übrige Zeit einen Bedarf in Höhe von monatlich 191,00 Euro an.
Mit Schreiben vom 09.12.2011, eingegangen am 15.12.2011, legte der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch gegen den Absenkungsbescheid vom 22.11.2011 ein, der Bescheid sei aufzuheben, da der Kläger die geforderten Bewerbungen vorgelegt habe.
Mit Bescheid vom 09.01.2012 wurde der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen, weil der Kläger seiner Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung vom 17.06.2011 nicht nachgekommen sei. Der Kläger habe am 10.11.2011 weniger als zehn Bewerbungen abgeben wollen, die alle nach dem 16.10. bzw. 21.10.2011 datiert gewesen seien.
Der Kläger erhob am 10.02.2012 Klage zum Sozialgericht Kassel.
Bewerbungsunterlagen seien vorgelegt worden, und durch die Erkrankung seiner Mutter sei der Kläger überdies an Bewerbungen gehindert gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspr...