Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Pauschgebühr. Kostenfreiheit bei Wahrnehmung der vom Jobcenter rechtsgeschäftlich übertragenen Aufgaben. hier: Forderungseinzug durch die Bundesagentur für Arbeit. Grundsicherung für Arbeitsuchende
Leitsatz (amtlich)
Überträgt ein Jobcenter die Aufgabe "Forderungseinzug" auf die Bundesagentur für Arbeit, wird im sozialgerichtlichen Verfahren die Bundesagentur für Arbeit ausschließlich als Trägerin der Grundsicherung Beteiligte und unterliegt nicht der Pauschgebührenpflicht.
Tenor
Die Feststellung der Gebührenschuld der Erinnerungsführerin in dem vor dem Sozialgericht Kiel geführtem Rechtsstreit S 40 AS 1450/11 durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 05.02.2013 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Die Erinnerungsführerin war in dem im Tenor genannten Rechtsstreit als Beklagte (dort noch vor der Umstrukturierung vertreten durch die Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen, Altenbekener Damm 82, 30173 Hannover) beteiligt. Inhaltlich ging es um die Festsetzung einer Mahngebühr wegen einer Forderung des Jobcenters Kiel. Der Rechtsstreit endete ohne Urteil.
Am 05.02.2013 stellte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle eine Gebührenschuld der Erinnerungsführerin in Höhe von 75,00 € fest.
Hiergegen hat die Erinnerungsführerin mit Schreiben vom 21.02.2013 Erinnerung eingelegt. Sie macht geltend, gemäß § 184 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 64 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) sei die Erinnerungsführerin als Trägerin der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) von der Kostenpflicht des § 184 Abs. 1 SGG befreit. Die Erinnerungsführerin sei hier im Rahmen der Einziehung von Forderungen nach dem SGB II des Jobcenters Kiel tätig geworden. Denn die Erinnerungsführerin sei einer der in Form der gemeinsamen Einrichtung - Jobcenter Kiel - organisierten Träger der Grundsicherung nach § 6 Abs. 1 SGB II. Die Einziehung von Erstattungsforderungen zu Unrecht gewährter SGB-II-Leistungen gehöre ebenfalls zu den originären Aufgaben des Jobcenters als gemeinsame Einrichtung. Die in § 64 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 SGB X geregelte Kostenfreiheit für gerichtliche Verfahren gelte für den gesamten Aufgabenbereich der Träger der Grundsicherung. Im Wege des ab dem 01.01.2011 eingeführten § 44 b Abs. 4 SGB II könne eine Rückübertragung einzelner Aufgaben fakultativ (so sei der Begriff “rechtsgeschäftlich„ in BT-Drs. 17/1555, S. 24 zu verstehen) auf die Leistungsträger erfolgen. Hierfür bedürfe es eines Beschlusses der Trägerversammlung (§ 44 c Abs. 2 S. 2 Nr. 4). In der Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drs. 17/1555, S. 24) finde sich als beispielhafte Gegenstände für eine Aufgabenwahrnehmung durch die Träger unter anderem der Forderungseinzug. Besondere Beachtung verdiene der Forderungseinzug, der in der Praxis der früheren Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) mitunter für Probleme gesorgt habe, wenn Leistungsträger im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft unzulässiger Weise in eigenem Namen Forderungen geltend machen wollten (z.B. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19.03.2009 - L 8 B 208/07; SG Leipzig, info also 2009, 223). Da die Aufgabenübertragung nach dem ab 01.01.2011 geltenden § 44 b Abs. 4 SGB II kein solches Auftragsverhältnis sei, dürfe ein Träger, dem die Aufgabe des Forderungseinzugs übertragen worden sei, nunmehr in eigenem Namen tätig werden (vgl. insoweit: Gagel, SGB II/SGB III, 41. Ergänzungslieferung 2011). Den Forderungseinzug der Erinnerungsführerin in ihrer Eigenschaft als Trägerin der Grundsicherung sei durch Beschluss der Trägerversammlung des Jobcenters Kiel im Wege der Rückübertragung nach § 44 b Abs. 4 SGB II der Einzug der SGB-II-Erstattungsforderungen übertragen worden. Diese Aufgabe werde durch die Erinnerungsführerin damit ausschließlich als Trägerin der Grundsicherung wahrgenommen.
Der Erinnerungsgegner beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen. Mit der Aufnahme der Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende in dem § 64 Abs. 3 Satz 3 SGB X sei die persönliche Gerichtskostenfreiheit neben kommunalen Trägern auf die Bundesagentur für Arbeit erstreckt worden, soweit diese für die Grundsicherung zuständig sei (§ 6 SGB II). Nach der Gesetzesbegründung solle mit der Ergänzung erreicht werden, dass auch die Jobcenter von den Gerichtskosten bei den Sozialgerichten befreit würden. Sinn und Zweck des § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X setzten allerdings voraus, dass das konkrete Verfahren vom Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende gerade in dieser Eigenschaft geführt werden. Daran mangele es vorliegend. In dem Rechtsstreit sei um die Bescheidung eines Widerspruchs gegen die Festsetzung von Mahngebühren gestritten worden. Die Mahngebühren zählten nicht zu den Leistungen der Grundsicherung, dass heiße, die beklagte Erinnerungsführerin trete in dem Rechtsstreit nicht als Trägerin der Grundsicherung für Arbeitssuchende auf und sei demzufolge auch nicht von den Kosten befreit.
II.
Die Erinnerung ist zulässig. G...