Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versicherungspflicht. Arbeitslosengeld II-Bezug. länger zurückliegende private Krankenversicherung. keine Geltung des Ausnahmetatbestandes nach § 5 Abs 5a S 1 SGB 5

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Eintritt in den Bezug von Arbeitslosengeld II.

2. Der Ausnahmetatbestand des § 5 Abs 5a S 1 SGB 5 "unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert" ist nicht erfüllt, wenn zwischen dem Ende des privaten Krankenversicherungsverhältnisses und dem Bezug von Arbeitslosengeld II ein Zeitraum von sechs Jahren liegt.

 

Tenor

1. Die Beigeladene zu 1) wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig, längstens jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren, dazu verpflichtet, den Antragsteller ab dem 6. August 2010 bei sich zu versichern, und ihm Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Die Beigeladene zu 1) hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Kiel ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt beigeordnet.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung, hilfsweise höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der am 00.00.0000 geborene Antragsteller war bis zum 30. November 2000 bei der Beigeladenen zu 1) krankenversichert. Ab dem 1. Dezember 2000 war er bei dem Beigeladenen zu 2) privat krankenversichert. Er war zu dieser Zeit selbständig tätig. Am 29. August 2003 meldete er seine gewerbliche Tätigkeit ab und gab sie auf. Er schloss am 1. Oktober 2003 einen Warenübernahmevertrag. In diesem veräußerte er Inhalt der Geschäftsräumlichkeiten. Er erhielt eine monatliche Rate in Höhe von 150,00 Euro aus diesem Vertrag unter anderem in den Monate August und September 2009.

Zum 31. Januar 2004 kündigte der Beigeladene zu 2) den Krankenversicherungsvertrag wegen ausstehender Beiträge.

Am 24. August 2009 beantragte der Antragsteller erstmalig Arbeitslosengeld II bei der Antragsgegnerin. Er gab hierbei an, dass er nicht krankenversichert sei. Ferner gab er an, dass er ein monatliches Einkommen von 150,00 Euro habe. Am 9. September 2009 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 28. Februar 2010. Wegen der unklaren Verhältnisse um die Krankenversicherung versicherte die Antragsgegnerin den Antragsteller zunächst nicht bei der Beigeladenen zu 1) oder einer anderen gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Beigeladene zu 1) lehnte am 24. September 2009 den Antrag auf Mitgliedschaft des Antragstellers ab. Zur Begründung führte sie aus, dass zuletzt privat Versicherte seit dem 1. Januar 2009 verpflichtet seien, sich privat kranken zu versichern. Dem Schreiben fügte sie keine Rechtsbehelfsbelehrung bei.

Zum 1. Oktober 2009 nahm der Beigeladene zu 2) den Antragsteller als Mitglied auf.

Am 2. Februar 2010 erließ die Antragsgegnerin einen Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 1. März 2010 bis zum 31. August 2010. Hierbei zahlte sie wiederum keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung. Am 2. März 2010 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen diesen Bescheid. Zur Begründung führte er aus, dass die Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe übernommen werden müssten. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2010 ab.

Am 19. April 2010 beantragte er bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Übernahme der Kosten der privaten Krankenversicherung in Höhe des halbierten Basistarifs.

Die Beigeladene zu 1) teilte auf Wunsch des Antragstellers diesem gegenüber am 1. Juli 2010 nochmals mit, dass keine Versicherungspflicht bestehen würde.

Der Antragsteller stellte am 13. Juli 2010 einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 2. Februar 2010. Die Beigeladene zu 1) habe die Versicherung abgelehnt. Es müssten deshalb nunmehr die privaten Krankenversicherungsbeiträge übernommen werden.

Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19. Juli 2010 ab. Das Recht sei richtig angewandt worden. Es sei auch von dem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 27. Juli 2010 bewilligte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 28. Juli 2010 Leistungen für die Zeit von September 2010 bis Februar 2011. Beiträge zur privaten Krankenversicherung übernahm sie wiederum nicht.

Am 6. August 2010 hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung führt er aus, dass eine Versicherungspflicht nicht bestehe. Es seien die Beiträge zur privaten Krankenversicherung zu übernehmen. Es bestünden offene Forderungen des Beigeladenen zu 2) gegenüber dem Antragsteller. Der Beigeladene zu 2) habe angekündigt, offene Beitragsforderungen mit Behandlungsrechnungen zu verrechnen.

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