Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung von Einzelleistungen nach Durchschnittswerten. Nichtberücksichtigung des statistischen Korrekturfaktors für eine unterdurchschnittliche Fallzahl

 

Orientierungssatz

Bei der vertrags(zahn)ärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung von Einzelleistungen nach Durchschnittswerten ist ein statistischer Korrekturfaktor für eine unterdurchschnittliche Fallzahl nicht zu berücksichtigen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 10.12.2020; Aktenzeichen B 6 KA 25/20 B)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist eine Honorarkürzung nach Wirtschaftlichkeitsprüfung für das Quartal IV/2010.

Der Kläger ist seit ... zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und betreibt seine Praxis in X.

Mit Schreiben vom 19. April 2012 informierte die Prüfungsstelle den Kläger über die Wirtschaftlichkeitsprüfung des Quartals IV/2010.

Nach Beschluss der 1. Beratungskommission der Gemeinsamen Prüfungsstelle vom 22. Mai 2013 wurde dem Kläger gegenüber mit Bescheid vom 8. August 2013 eine Kürzung für das Quartal IV/2010 um 3.386 Punkte mitgeteilt. Das Kürzungsvolumen ergab sich aus der Kürzung der abgerechneten BEMA-Z Positionen 105 (Mu) und 106 (sK) auf 180 % des Durchschnitts.

Dagegen legte der Kläger am 9. August 2013 Widerspruch ein. Zusammengefasst erhob er diverse Einwände gegen die statistische Vergleichsprüfung an sich. Er habe vor dem BSG Entscheidungen zur Nichtberücksichtigung von Nullabrechnungen erstritten, die nicht beachtet worden seien. Etliche Zahlen der Vergleichsstatistik würden Werte unter Null aufweisen. Fehlerhaft sei auch, dass in der Statistik für den Landesdurchschnitt Werte unter 1 % auftauchen würden. Die Statistik würde eher stimmen, wenn alle Zahnärzte einer Berechnung von 100 Patienten gleich 1 Leistung entsprechen würden. Praxen mit unterdurchschnittlicher Größe würden in einen Topf geworfen werden. Die Zahlen seien intransparent, insbesondere bezüglich der Berücksichtigung von Leistungen, die nicht so häufig erbracht werden würden und der Berücksichtigung von sehr kleinen, scheinschwachen Praxen. Die Geltendmachung sei verfristet, insbesondere verjährt und jedenfalls verwirkt. Insbesondere für die Quartale aus dem Jahr 2010 sei Verwirkung eingetreten. Zu den einzelnen gekürzten Positionen werden keine Ausführungen gemacht.

Der Beklagte übersandte dem Kläger die - betreffend die landesdurchschnittlichen Werte korrigierten - herangezogenen Statistiken, die von der Beigeladenen zu 6) erstellt wurden. Er erläuterte nach Rücksprache mit der Beigeladenen zu 6), dass die zahnarztbezogenen Einzelleistungsstatistiken nullstellenbereinigt seien. Es seien ausschließlich die Abrechnungen der Praxen berücksichtigt worden, die die jeweilige Position mindestens einmal abgerechnet haben. Das ergebe sich auch aus der Gesamtdarstellung der Statistik. Bei Positionen mit geringer Leistungsanzahl sei es auch möglich, dass der Landesdurchschnitt unter 1 % liege. Im Übrigen erläuterte er die Statistik. Ferner legte er unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG die Prüfungsmaßstäbe dar.

In seiner Sitzung am 10. Dezember 2014 entschied der Beklagte über den Widerspruch. Der Beschluss wurde am 4. Mai 2015 ausgefertigt. Das Kürzungsvolumen wurde auf 3.302 Punkte reduziert. Angewandt worden sei eine statistische Vergleichsprüfung, die durch eine intellektuelle Betrachtung ergänzt werde, die medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtige. Die herangezogenen Statistiken seien fehlerfrei und insbesondere nullstellenbereinigt. Die Bedenken des Klägers an der Vergleichbarkeit unterschiedlich großer Praxen teile er nicht. Die Grenzen der statistischen Vergleichsprüfung seien erst bei besonders kleinen Praxen mit einer Fallzahl von weniger als 20 % der landesweiten durchschnittlichen Fallzahl erreicht. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Die Prüfung des Gesamtfallwertes des Klägers in Punkten pro Versichertem (insgesamt 386) führe zu dem Ergebnis, dass er den landesweiten durchschnittlichen Fallwert von 72,05 Punkten mit 72,83 Punkten um deutlich weniger als 30 % überschritten habe.

Die Einzelleistungsprüfung ergebe jedoch für die BEMA-Z-Positionen 105 und 106 signifikante Auffälligkeiten:

Position

Anzahl d. Leistungen

Praxis-Abrechnungswert

Landesdurchschnittswert

Abweichung

105     

254     

65,80 %

15,78 %

316,98 %

106     

313     

81,09 %

14,07 %

476,33 %

Der Grenzwert für die Annahme eines offensichtlichen Missverhältnisses bei einzelnen BEMA-Positionen müsse in der Regel höher angesetzt werden als der Grenzwert beim Gesamtfallwert. Bei einzelnen BEMA-Positionen komme der Therapiefreiheit ein größeres Gewicht als beim Gesamtfallwert zu, bei dem durch die Gesamtbetrachtung bereits ein gewisser Ausgleich im Rahmen der Therapiefreiheit erfolge. Bei Einzelleistungsvergleichen wirkten sich unterschiedliche Diagnose- und Behandlungsmethoden der Zahnärzte naturgemäß stärker aus. Er - der Beklagte - nehme unter Bezugnahme auf die Rechtsprechun...

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