Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankengeld
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Berechnung des Krankengeldes sind für die Höhe des Regelentgeltes nicht nur der letzte Monat vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigen. Bei wechselndem Einkommen ist der Durchschnittswert aus den letzten drei Monaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zugrunde zu legen.
2. Hat der Versicherte regelmäßig Überstunden geleistet, die beim Arbeitsentgelt Berücksichtigung finden, liegt ein wechselndes Einkommen auch dann vor, wenn im letzten Monat vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise keine Überstunden geleistet wurden, weil das Einkommen bereits durch zusätzliches Urlaubsgeld erhöht wurde.
3. Die Vermutung des § 47 SGB 5, dass das Vormonatseinkommen das regelmäßige Einkommen widerspiegelt, ist jedenfalls dann widerlegt, wenn die abweichende Unregelmäßigkeit für die Krankenkasse im Zeitpunkt der Krankengeldberechnung erkennbar war.
Tenor
1. Unter Aufhebung des Bescheides vom 25.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2019 wird die Beklagte verurteilt, das aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit ab dem 29.07.2019 gezahlte Krankengeld für die Zeit vom 25.08.2019 bis zum 17.08.2020 dahingehend neu zu berechnen, dass für das zugrunde zu legende regelmäßige Arbeitsentgelt die Monate April, Mai und Juni 2019 zu berücksichtigen sind.
2. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des von der Beklagten ab dem 25.08.2019 an den Kläger gewährten Krankengeldes.
Der am 1968 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Ab dem 29.07.2019 war er arbeitsunfähig. Zu diesem Zeitpunkt bestand ein Beschäftigungsverhältnis als Service-Techniker bei der Fa. C. in K.. Dieses wurde in Vollzeit ausgeübt. Nach einer verkürzten Zeit der Entgeltfortzahlung erhielt der Kläger von der Beklagten Krankengeld ab dem 25.08.2019. Das Krankengeld wurde ab dem 12.09.2019 zunächst mit 69,61 € kalendertäglich überwiesen. Insgesamt hat der Kläger in der Folgezeit vom 25.08.2019 bis zum 17.08.2020 durchgehend Krankengeld bezogen, wobei der Krankengeldanspruch in der Zeit vom 26.11.2019 bis zum 17.12.2019 wegen des Bezugs von Übergangsgeld ruhte.
Mit Bescheid vom 25.09.2019 stellt die Beklagte fest, dass für die Höhe des Krankengeldes ab dem 25.08.2019 ein Auszahlungsbetrag von 75,19 € pro Kalendertag zugrunde zu legen sei. Mit Schreiben vom 30.09.2019 erläuterte die Beklagte ihren Bescheid dahingehend, dass das Krankengeld 70 % des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts betrage, soweit es der Beitragsberechnung unterliege, und 90 % des regelmäßigen Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen dürfe. Maßgebend für die Berechnung sei das im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt. Bei wechselndem Arbeitseinkommen dürfe der Durchschnittswert nur gerechnet werden, wenn die drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit ein höheres Einkommen aufwiesen als das vereinbarte Brutto-/Netto-Einkommen.
Das Krankengeld des Klägers ab dem 25.08.2019 errechne sich wie folgt: Zugrunde zu legen sei aus dem Entgeltabrechnungszeitraum vom 01.06.2019 bis zum 30.06.2019 ein Bruttoarbeitsentgelt von 3.537,00 €. Geteilt durch 30 ergebe sich daraus ein kalendertägliches Regelentgelt von 117,90 €. Aus Einmalzahlungen der letzten 12 Monate in Höhe von 4.695,13 € sei dem ein täglicher Brutto-Rechnungsbetrag von 13,04 € hinzuzufügen, was ein Regelentgelt von 130,94 € ergebe. Dies liege nicht über dem regelmäßigen Nettoarbeitsentgelt im Entgeltabrechnungszeitraum von 2.566,38 €, das grundsätzlich 85,55 € und unter Hinzurechnung der Einmalzahlungen aus den letzten 12 Monaten 95,01 € kalendertäglich betrage. Davon 90 % seien 85,51 €, die als maßgebliches Brutto-Krankengeld zugrunde zu legen seien. Unter Abzug der Beiträge zur Rentenversicherung, Arbeitsförderung und Pflegeversicherung ergebe sich ein auszuzahlendes kalendertägliches Krankengeld in Höhe von 75,19 €. Der Beklagten lagen dazu vor die Verdienstnachweise für Oktober und November 2018, für April, Mai und Juli 2019 sowie eine Entgeltbescheinigung des Arbeitgebers vom 06.09.2019, die für den Entgeltzeitraum 01.06.2019 bis 30.06.2019 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 3.537,00 €, ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 2.566,38 € sowie einmalig gezahltes Urlaubsgeld in Höhe von 1.200,00 € ausweist.
Gegen den Bescheid vom 25.09.2019 legte der Kläger mit Schreiben vom 08.10.2019 Widerspruch ein. Es sei nicht lediglich das Arbeitsentgelt aus Juni 2019, sondern auch das höhere Einkommen aus den Vormonaten zu berücksichtigen, das Brutto/Netto für April 5.570,00 €/3.751,00 € und für Mai 4.943,00 €/3.371,00 € betragen habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2019 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Gemäß § 47 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) werde für die Berechnung des Krankengeldes ausdrücklich an das im letzten vor Begi...