Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des SG Koblenz vom 30.11.2016 - S 9 KR 756/15, das vollständig dokumentiert ist.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 27.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2016 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für die selbstbeschaffte Echthaarperücke in Höhe von 1.385,00 € zu erstatten.
2. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die - erneute - Erstattung der Kosten für die Beschaffung einer Echthaarperücke.
Die 1991 geborene Klägerin leidet unter Alopezia totalis. Nachdem ihr am 06.02.2014 vom Internisten H. eine Echthaarperücke verordnet worden war, bewilligte ihr die Beklagte einen Zuschuss für deren Beschaffung in Höhe von 300,00 €. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, woraufhin ihr 590,00 € (600,00 € abzüglich Eigenanteil von 10,00 €) bewilligt wurden; den weitergehen- den, auf Übernahme der vollen Beschaffungskosten gerichteten Widerspruch wies die Beklagte zurück. Im nachfolgenden Klageverfahren (S 5 KR 871/14 Sozialgericht - SG - Koblenz) wurde die Beklagte mit Urteil vom 01.10.2015 verurteilt, der Klägerin die Kosten für die erfolgte Versorgung mit einer Echthaarperücke in Höhe von weiteren 795,00 € zu erstatten; dieses Urteil wurde durch Rechtsmittelverzicht der Beklagten rechtskräftig.
Am 06.03.2015 verordnete Internist H. der Klägerin erneut eine Echthaarperücke. Mit Bescheid vom 08.04.2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf Versorgung mit dieser Perücke ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe bereits am 06.02.2014 eine Echthaarperücke erhalten und sei somit ausreichend versorgt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 29.09.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Im nachfolgenden Klageverfahren (S 9 KR 756/15 SG Koblenz) wurde die Beklagte durch Urteil vom 30.11.2016 verurteilt, der Klägerin die Kosten für die Beschaffung der Echthaarperücke in Höhe von 1.385,00 € zu erstatten.
Am 15.04.2016 wurde der Klägerin durch den Internisten H. erneut eine Echthaarperücke verordnet. Die Klägerin legte einen Kostenvoranschlag vom 15.04.2016 über einen Zahlbetrag über 1.385,00 € (Rechnungsbetrag brutto 1.395,00 € abzüglich 10,00 € Zuzahlung) vor.
Mit Schreiben vom 20.04.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es würden die Kosten für das Hilfsmittel “Kunsthaarperücke (Zuschuss)„ in Höhe von 290,00 € übernommen. Der Haarwerkstatt M. sei der Lieferauftrag erteilt worden.
Mit Schreiben vom 22.04.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die mit Schreiben vom 20.04.2016 erteilte Genehmigung werde zurückgezogen; der Antrag auf Kostenübernahme einer Echthaarperücke vom 15.04.2016 sei noch in Bearbeitung.
Mit Bescheid vom 27.04.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, man habe den Antrag auf die Wechselversorgung mit einer Echthaarperücke erhalten. Die Klägerin sei bereits mit einer solchen Perücke im Jahr 2014 und ebenso im Jahr 2015 versorgt worden. Gegen die Ablehnung dieser Versorgung laufe ein Verfahren beim SG Koblenz hinsichtlich der Tragedauer einer Echthaarperücke. Nach Auffassung der Beklagten sei die Klägerin ausreichend versorgt. Man werde den Antrag nach Abschluss des Klageverfahrens neu bewerten, sobald das Urteil vorliege.
Hiergegen erhob die Klägerin mit der Begründung Widerspruch, durch §§ 27 Nr. 3, 32 ff. des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) werde dem Versicherten ein Anspruch auf Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln eingeräumt. Auch im Leistungsrecht der Gegenwart unterliege die von den Kassen im Einzelfall zu gewährende Sozialleistung nicht der eigenständigen Regelungsbefugnis von Verträgen zwischen Kassen und dritten Leistungserbringern, deren sich die Kasse im Einzelfall bediene. Ausgangspunkt der Betrachtung des sozialen Leistungsanspruchs sei § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V. Danach hätten Versicherte generell Anspruch auf Leistungen zur Behandlung von Krankheiten. Sei der Versicherungsfall “Krankheit„ eingetreten, umfasse die Krankenbehandlung gemäß § 27 SGB V die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln, vorausgesetzt, dass sie notwendig seien, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Das gelieferte Hilfsmittel müsse als Leistung der Kasse ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein (§ 12 Abs. 1 SGB V). Bestehe ein Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, umfasse dieser ebenfalls die notwendige Änderung, Instandsetzung und Instandhaltung, Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch. Für medizinischen Haarersatz gälten keine Vertrags- oder Festbeträge bzw. Kassenanteile oder gesetzliche Zuzahlungen. Das derzeit getragene Hilfsmittel sei mittlerweile aufgetragen, die völlige Ablehnung einer Folgeversorgung sei daher evident rechtswidrig.
Auf Anfrage der Beklagten teilte die Zeugin M., Haarwerkstatt M., der Beklagten mit Schreiben vom 22.06.2016 mit, im Rahmen eines Servicet...