Entscheidungsstichwort (Thema)

Behandlung einer Makuladegeneration mittels intravitrealer Injektion des Fertigarzneimittels Lucentis

 

Orientierungssatz

1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich ist.

2. Die Krankenkasse kann die Behandlung einer feuchten altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) mittels intravitrealer Injektion des Fertigarzneimittels Lucentis nicht als vertragsärztliche Leistung erbringen, weil diese gebührenrechtlich bisher im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) nicht erfasst ist. Mit dem AMD-Vertrag haben die Vertragspartner eine Möglichkeit geschaffen, bis zur Aufnahme der ärztlichen Leistung in den EBM durch eine anderweitige Interimsversorgung den Versicherten die begehrte ärztliche Behandlung u. a. mit Lucentis als Sachleistung anzubieten. Eine Verpflichtung der Krankenkasse zur Übernahme der in einer Privatpraxis anfallenden erforderlichen Behandlungskosten von ca. 10.000.- €. würde im Ergebnis die Hauptsache vorwegnehmen, wenn der Antragsteller im Falle des Unterliegens voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, diese Kosten zurückzuzahlen. Eine echte Vorwegnahme der Hauptsache im Wege des Eilrechtsschutzes kommt aber regelmäßig nur dann in Betracht, wenn das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache ganz überwiegend wahrscheinlich ist.

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Kosten sind unter den Beteiligten nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin (AG) einstweilen zu verpflichten ist, der im Jahr 1929 geborenen Antragstellerin (AS) die Behandlung ihrer feuchten altersabhängigen Makuladegeneration (im folgenden AMD) am linken und rechten Auge jeweils mittels intravitrealer Injektion des Fertigarzneimittels Lucentis durch Übernahme der von Prof.  Dr. xxx veranschlagten Kosten jeweils eines Behandlungsintervalls (3 Injektionen) für jedes Auge zu gewähren. Gemäß Kostenvoranschlag dieses Arztes aus Köln belaufen sich die Kosten für eine Injektionsbehandlung mit Lucentis auf jeweils 1.296,22 Euro für das Medikament und 400,- Euro für die ärztliche Behandlung inkl. der Nachbehandlung (also insgesamt auf 10.176,- Euro). Zwischen den Beteiligten ist bereits wegen einer Restkostenerstattung in Höhe von 4015,70 Euro für drei bei der AS privatärztlich durch die Praxis Prof.  Dr. xxx pp. vorgenommene Medikamenteneinspritzungen am linken Auge mit Lucentis ein Klageverfahren anhängig (S 26 KN 30/10 KR). In diesem Verfahren hat die Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen, dass zwischen ihr und der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein ( KVNO) und den augenärztlichen Berufsverbänden ein Vertrag zur Behandlung der feuchten AMD mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern (u.a. auch Lucentis) geschlossen worden sei, welcher eine pauschalierte Kostenvergütung von 450,- Euro für alle mit den Medikamenteneinspritzungen einhergehenden Aufwendungen (Arzt- und Arzneikosten) je Behandlung vereinbart worden sei. Die augenärztliche Nachbehandlung sei laut Vertrag mit zusätzlich 50,- Euro anrechnungsfähig. Die Kostenabrechnung erfolge direkt über die Krankenversicherungskarte mit der KVNO.

Am 11.05.2010 beantragte die AS bei der AG die Kostenübernahme für die Einspritzung und Behandlung mit Lucentis beider Augen bei dem Augenarzt Prof.  Dr. xxx, aus dessen Kostenvoranschlag vom 07.05.2010 sich die veranschlagten Kosten für eine Injektionsbehandlung je Auge mit Lucentis von 1.296,22 Euro für das Medikament und 400,- Euro für die ärztliche Behandlung inkl. der Nachbehandlung ergeben. Aus medizinischen Gründen sei bei beiden Augen die Injektion mit Lucentis geplant; empfohlen würden drei Injektionen je Auge. In der Folgezeit bat die AG mit Schreiben vom 08.06.2010 die Augenarztpraxis Dres. xxx um Zusendung aktueller Augenhintergrundbilder im Original. Diese gingen am 21.06.2010 bei der AG ein, welche diese am selben Tag ihrem Dezernat I.7.2 in Bochum zusandte. Mit einem am 16.06.2010 bei der AG eingegangenem Schreiben forderten die Verfahrensbevollmächtigten der AS von der AG eine positive Entscheidung bis zum 21.06.2010 und kündigten einen Eilantrag beim Sozialgericht Köln an.

Dieser ging schließlich am 02.07.2010 beim Sozialgericht Köln ein und ist dem Sinn nach auf die einstweilige Verpflichtung der AG zur Übernahme der Kosten gerichtet, die sich aus dem Kostenvoranschlag der Augenarztpraxis Dres. xxx aus Köln ergeben. Zur Begründung des Eilantrages trägt die AS im wesentlichen vor, die Behandlung an beiden Augen sei dringlich durchzuführen, da ansonsten die Gefahr einer zügigen weiteren Sehverschlechterung beider Augen drohe, welche wegen der hohen Empfindlichkeit des Netzhautgewebes irreversibel sein könne. Unstreitig habe sie einen Anspruch auf Gewährung der Behandlung ihrer feuchten AMD mittels intravitrealer Injektion von Lucentis. Nach § 76 Absatz 1 SGB V habe sie ein Recht auf freie Arztwa...

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