Entscheidungsstichwort (Thema)

Untätigkeitsklage. Kostenerstattung

 

Orientierungssatz

Die Dreimonatsfrist des § 88 Abs 2 SGG, die den Zeitraum bestimmt, in dem die Behörde eine Sachentscheidung zu treffen hat, ist jeweils um die Zeiträume zu verlängern, die im konkreten Fall zu einer vom Normalfall abweichenden Sachbehandlung geführt haben und einen zureichenden Grund darstellen, noch nicht zu entscheiden (vgl LSG Essen vom 11.2.2003 - L 7 B 10/03 SB = VersorgVerw 2003, 57). Dies gilt stets für Verzögerungen, die dem Widerspruchsführer oder seinem Bevollmächtigten zuzurechnen sind, aber auch für die dadurch entstehenden Verzögerungen, dass die Behörde in Ermangelung ihrer Verwaltungsakten überhaupt nicht ermitteln oder entscheiden kann oder eine sachgerechte Ermittlung durchzuführen hat (vgl LSG Essen vom 20.6.1996 - L 7 SV 3/96).

 

Tenor

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob das beklagte Land die außergerichtlichen Kosten der Untätigkeitsklage zu tragen hat.

In der Sache erstrebt der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 22. Januar 1997 und die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB). Mit Bescheid vom 8. April 2003 lehnte das beklagte Land einen Antrag auf Feststellung eines höheren GdB ab. Die seit der letzten Feststellung vom 22. Januar 1997 neu hinzugekommene Beeinträchtigung "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule infolge degenerativer Veränderungen, Bandscheibenschaden" habe unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens mit den anderen bereits vorliegenden Beeinträchtigungen nicht solche Auswirkungen, dass der bisher bereits festgestellte GdB zu erhöhen wäre. Am 29. April 2003 ging der vom Bevollmächtigten des Klägers eingelegte Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Nachdem das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 13. Mai 2003 angeforderte Kopien der Befundunterlagen sowie der gutachterlichen Stellungnahme und nach Erinnerung durch den Kläger auch noch mit Schreiben vom 19. Mai 2003 die dem Bescheid von 1997 zugrundeliegende gutachterliche Stellungnahme in Kopie zugesandt hatte, ging die Widerspruchsbegründung des Klägers am 12. Juni 2003 bei dem beklagten Land ein. Im Rahmen der weiteren Sachverhaltsaufklärung durch das beklagte Land wurde der versorgungsärztliche Dienst am 25. Juni 2003 um Stellungnahme gebeten. Die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 27. Juni 2003 ergab die Notwendigkeit einer versorgungsärztlichen Untersuchung, die am 17. Juli 2003 stattfand. Das Ergebnis der Untersuchung ergab, dass sich der Gesamt-GdB nicht veränderte. Mit Schreiben vom 18. August 2003 wurde dem Bevollmächtigten des Klägers ein Schreiben an den Kläger selbst sowie eine Kopie des Gutachtens vom 17. Juli 2003 "mit der Bitte um Kenntnisnahme bzw. Erledigung" gesendet. In dem Schreiben an den Kläger selbst wurde diesem mitgeteilt, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werden könne und die Angelegenheit daher der Bezirksregierung zur Entscheidung über den Widerspruch vorgelegt würde. Zudem heißt es in dem Schreiben: "Eine Kopie des Gutachtens ist zu Ihrer Kenntnisnahme beigefügt." Die Akten wurden der Bezirksregierung mit Post vom 18. August 2003 übersendet. Mit Datum vom 10. Oktober 2003 erging der Widerspruchsbescheid. Die gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wurde zwischenzeitlich durch einen Vergleich beendet.

Bereits mit Schriftsatz vom 30. September 2003 hatte der Bevollmächtigte des Klägers Untätigkeitsklage erhoben. Die Klageschrift ging am 2. Oktober 2003 bei Gericht ein. Der Bevollmächtigte des Klägers rügte, dass die vom beklagten Land für erforderlich gehaltenen Untersuchung erst fünf Wochen nach Eingang seiner Widerspruchsbegründung erfolgt sei. Erst vier Wochen nach dieser Untersuchung habe er die Nachricht bekommen, dass die Angelegenheit zur Entscheidung an die Bezirksregierung Münster abgegeben worden sei. Seit dieser Nachricht seien sechs weitere Wochen vergangen, ohne dass eine Entscheidung ergangen sei oder ihm Gründe für die Verzögerung mitgeteilt worden seien. Mit Schriftsatz vom 16. Oktober erklärte der Kläger nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2003 die Untätigkeitsklage in der Hauptsache für erledigt und beantragt, dem beklagten Land die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

Das beklagte Land ist nicht bereit, die außergerichtlichen Kosten zu tragen. Für die Erhebung der Untätigkeitsklage habe keine Notwendigkeit bestanden. Dem Klägerbevollmächtigten sei die Kopie des Gutachtens vom 17. Juli 2003 zur möglichen Stellungnahme übersandt worden. Daraufhin habe das beklagte Land eine angemessene Frist abgewartet, ohne dass eine Stellungnahme eingegangen sei. Schließlich sei der Widerspruchsbescheid erlassen worden.

Der Kläger bestreitet, dass das "zur Kenntnisnahme" zugesandte Gutachten zur möglichen Stellungnahme übersandt worden sei. Das beklagte Land habe ein Stellungnahme nicht erwartet. Das ergebe sich schon daraus, dass die Akten mit Post vom gleichen Tag der Mitteilung an die Bezirksregierung übersendet worden sei....

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge