Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht eines bei einem Versicherungsunternehmen als sog. Claims Handler beschäftigten Rechtsanwalts
Orientierungssatz
1. Die Befreiung von der Versicherungspflicht für einen Rechtsanwalt nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB 6 verlangt u. a., dass dieser für die ausgeübte Tätigkeit Mitglied der berufsständischen Versorgungseinrichtung der Rechtsanwälte ist. Dies setzt voraus, dass der Versicherte in einer Weise beschäftigt ist, die ihrem Inhalt nach anwaltlicher Natur ist.
2. Hierzu kann auf die Kriterien zurückgegriffen werden, welche die DRV Bund im Jahr 2005 zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft der berufsständischen Versorgungseinrichtung erarbeitet hat. Danach ist die Tätigkeit eines Rechtsanwalts bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber dann eine berufsspezifisch anwaltliche, wenn sie rechtsberatend, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend oder rechtsvermittelnd ist.
3. Die Rechtsberatung umfasst die unabhängige Analyse von betriebsrelevanten, konkreten Rechtsfragen, die selbständige Herausarbeitung und Darstellung von Lösungswegen und Lösungsmöglichkeiten vor dem spezifischen betrieblichen Hintergrund und das unabhängige Bewerten von Lösungsmöglichkeiten.
4. Wird ein beschäftigter Anwalt als sog. Claims Handler tätig und prüft er dabei im Bereich der Haftpflichtversicherung Schadensersatzansprüche, die von Dritten gegen Versicherungsnehmer seines Arbeitgebers geltend gemacht werden sowie Deckungsansprüche, welche Versicherungsnehmer unmittelbar gegenüber seinem Arbeitgeber geltend machen und übt er diese Tätigkeit eigenverantwortlich und weisungsfrei aus, so ist er rechtsberatend und rechtsgestaltend tätig, sofern er keinen abstrakt-generellen Vorgaben in der Beantwortung bestimmter Rechtsfragen unterliegt.
5. Bilden solche Aufgaben den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, so ist der angestellte Rechtsanwalt auf seinen Antrag von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2010 verurteilt, die Klägerin ab dem 23.03.2010 für ihre Tätigkeit bei der X von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Klägerin wurde 1966 geboren und legte im Jahre 2001 das 2. juristische Staatsexamen ab. Nach einer Tätigkeit bei der X im Bereich X trat sie zum 01.04.2008 als Angestellte bei der X in X ein. In der Zeit von April 2008 bis Dezember 2009 wurde sie zunächst eingearbeitet in die selbständige Bearbeitung internationaler Großschadensfälle im Bereich Haftpflichtversicherung. Zum 01.01.2010 wurde ihr bestehender Anstellungsvertrag sodann umgewandelt. Die Klägerin wurde nunmehr als X in der Abteilung X für die Gesellschaft tätig. Sie war von nun an außertarifliche Beschäftigte. Jede Nebentätigkeit bedurfte auch nach dem veränderten Anstellungsvertrag der ausdrücklichen Zustimmung der X.
Zum 23.03.2010 trat sie der X X bei und beantragte am 06.05.2010 bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit bei der X. Sie fügte ein Schreiben der X an die Beigeladene bei. Die X bestätigte in diesem Schreiben, dass es der Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit für die X insbesondere gestattet sei, auch während der Dienststunden gerichtliche Termine wahrzunehmen und andere anwaltliche Aufgaben zu übernehmen und zu verhandeln. Im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben sei es ihr gestattet, nach eigenem Ermessen frei zu verhandeln und Entscheidungen herbeizuführen. Die Zulassung zur Rechtsanwaltsschaft und die hiermit verbundene freie Mandatsbetreuung stellten ein wesentliches Kriterium für die Anstellung in dem Unternehmen dar. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die von ihr zu verhandelnden industriellen Schadenszenarien, welche sie kompetenzmäßig eigenverantwortlich und selbständig abzuwickeln gehalten sei. Darüber hinausgehend zeichne sie nur dem zuständigen Bereichsleiter verantwortlich. Ihr Aufgabenbereich umfasse die selbständige Erstellung und Ausgestaltung von Vertragswerken sowie deren Verhandlung gegenüber internen Repräsentanten als auch gegenüber externen Personen und Gesellschaften. Desweiteren umfasse ihr Tätigkeitsgebiet die rechtliche Prüfung von Verträgen, die der X von Externen angedient würden sowie die damit verbundenen Vertragsverhandlungen. Letztlich zeichne sie verantwortlich für die VVG-Konformität der Vertragswerke der X sowie deren Vereinbarkeit mit versicherungsaufsichtsrechtlichen Bestimmungen. Schließlich umfasse ihr Tätigkeitsprofil auch, die bei den beschriebenen Tätigkeiten gewonnenen Erkenntnisse als abstrakte Regelungsabläufe, auch vor größeren Zuhörerkreisen, mündlich darzustellen, schriftlich aufzuarbeiten oder aber auch Entscheidungen im Einzelfall bekannt ...