Nachgehend

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 30.06.1999; Aktenzeichen L 11 KA 54/99)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten werden der Klägerin auferlegt.

Sonst sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) von der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ausschließen durfte.

Die Klägerin betreibt eine Tagesklinik, in der auch die ESWT erbracht wird. Dazu werden Geräte eingesetzt, die Ultraschallwellen so bündeln, dass sie am Fokussionspunkt mechanisch auf Fremdkörper oder Gewebe einwirken. Das Wirkprinzip wurde zunächst auf urologischem Fachgebiet mit der Stoßwellenlithotripsie zur Zertrümmerung von Steinen in der Gallenblase und den Gallengängen eingesetzt. Seit Mitte der 90er Jahre wird auch auf orthopädischem und chirurgischem Fachgebiet erprobt, ob in den Indikationsbereichen Fersensporn, Tennisellenbogen, Pseudarthrose (Falschgelenkbildung nach Knochenbruch) und Tendinosis calcarea (Verkalkung des Sehnenbettes) mit der Stoßwellentherapie Heilerfolge zu erzielen sind.

Schon 1996 hatte sich der Beklagte mit der Frage befasst, ob und wie die ESWT in den Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-RL) zu bewerten sei. Der Arbeitsausschuss "Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" hatte jedoch die Anerkennung dieser Methode nicht empfohlen, weil er an der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zweifelte.

Mit Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-Neuordnungsgesetz - 2. GKV-NOG) ist § 135 Abs. 1 Buch V des Sozialgesetzbuches (SGB V) neugefasst und der gesetzliche Auftrag des Antraggegners unter anderem dahin erweitert, dass die neue Methode nicht nur im Hinblick auf den therapeutischen Nutzen, sondern darüber hinaus auf Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits abrechenbaren Methoden - zu beurteilen ist (5 135 Abs. 1 Nr. 1 SGB V); auch die bisher zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertrags(zahn)ärztlichen Leistungen sind daraufhin zu überprüfen, ob sie geeignet, notwendig und wirtschaftlich sind (5 135 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Daraufhin beschloss der Beklagte am 01.10.1997 die Richtlinie über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen gemäß 5 135 Abs. 1 SGB V (Verfahrensrichtlinien "Ärztliche Behandlung"). Sie sind im Bundesanzeiger vom 31.12.1997 veröffentlicht und am folgenden Tage in Kraft getreten. Die Geschäftsordnung des Beklagten - zuletzt geändert am 18.02.1998, veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 20.03.1998 sieht in 5 11 Abs. 1 vor, dass der Beklagte zur Vorbereitung seiner Beratungen und Beschlüsse Arbeitsausschüsse einsetzen kann, deren Auftrag und Zusammensetzung er bestimmt. Für ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ist dies der Ausschuss "Ärztliche Behandlung", der den NUB-Ausschuss ablöste. Gleichzeitig mit der Richtlinie veröffentlichte der Beklagte im Bundesanzeiger, dass er in Kürze auch die ESWT im Rahmen der orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Behandlung erörtern werde. Am 13.01.1998 stellte er dazu unter anderem der Deutschen Gesellschaft für Stoßwellentherapie (DGST) und der Internationalen Gesellschaft für extrakorporale Stoßwellentherapie in der Orthopädie (IGESTO) einen Fragekatalog zu und setzte zunächst eine Frist zur Stellungnahme auf den 16.02.1998 fest, die sodann bis zum 03.03.1998 verlängert wurde. Am 19.03.1998 wurde ESWT im Arbeitsausschuss erörtert, am 07.04.1998 das Beratungsergebnis dem Beklagten übermittelt. Auf seine Beratung vom 24.04.1998 beschloss er am selben Tage, das Verfahren "extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen" als Verfahren zu werten, das von Vertragsärzten nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden darf. In seiner Pressemitteilung vom 30.04.1998 gibt er an, nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis gekommen zu sein, dass der Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit der vorgenannten Verfahren weder vollständig noch teilweise belegt seien. Nachdem der Beigeladene zu 7) die Aufnahme der ESWT in Anlage B der Verfahrensrichtlinien "Ärztliche Behandlung" nicht beanstandet hatte, ist der Beschluss im Bundesanzeiger vom 25.07.1998 (Nr. 136 Seite 10507) veröffentlicht. Dagegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin rügt zunächst, dass der Beschluss mangelhaft zustande gekommen sei: Zunächst sei den Fachgesellschaften eine zu kurze Frist gesetzt; so habe Dr. E1 vom Universitäts-Krankenhaus F in I1 gerade einmal 14 Werktage Zeit gehabt, um die Fragen des Beklagten zu beantworten; eine hinreichend fundierte Sachverständigenmeinung sei in dieser Zeit nicht zu erwarten gewesen, zumal Dr. E1 hauptberuflich in den Klinikbetrieb eingeordnet sei; auch die Fachgesellschaften E2 ...

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