Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Bewegungstrainer „Innowalk“ zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung

 

Orientierungssatz

1. Zur Hilfsmittelversorgung mit dem Bewegungstrainer „Innowalk“ (hier bejaht).

2. Der Bewegungstrainer „Innowalk“ dient der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2021 verurteilt, die Klägerin mit dem beantragten Hilfsmittel Innowalk medium der Firma made for movement zu versorgen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.

 

Tatbestand

Die bei der Beklagten versicherte Klägerin (geb. 00.00.2008) begehrt die Versorgung mit dem Hilfsmittel Innowalk medium der Firma made for movement.

Bei der Klägerin liegen eine infantile dyskinetische Zerebralparese (rechtsbetont), Intelligenzminderung, symptomatische fokale Epilepsie, Sehstörungen mit Schielen, Nystagmus, Kurzsichtigkeit, Astigmatismus, Obstipation, Dystrophie u.a. vor. Sie hat den Pflegegrad 5 und einen anerkannten Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen B, H, RF, aG und G. Sie kann nicht selbstständig sitzen, stehen oder gehen. Im Zeitraum 20.01.2014 bis 10.08.2020 war die Klägerin durch die Krankenkasse mit dem Hilfsmittel Innowalk small versorgt worden.

Am 09.08.2019 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung (Dres. O./N.) vom 21.08.2019 ("Wachstumsbedingte Folgeversorgung") die Versorgung mit dem Innowalk medium. Sie legte einen Kostenvoranschlag der Firma made for movement über 25.246,75 Euro vor und reichte einen "Nutzungsnachweis" der Firma made for movement ein, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK). Dieser gelangte mit Gutachten vom 30.09.2019 zu der Einschätzung, es handele sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB), die einer positiven Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) bedürfe. Der medizinische Nutzen dieses intensiven Funktionstrainings sei bisher nicht vom GBA geprüft worden. Gleiches gelte in Bezug auf mögliche Risiken, die nicht nur auf Überbelastung durch die Therapie selbst beruhen könnten, sondern auch auf Falschbelastungen, Falscheinstellungen, Falschprogrammierungen oder unkontrollierten Selbstanwendungen. Die Beklagte zog im Folgenden weitere medizinische Unterlagen sowie eine Videodokumentation zum begehrten Hilfsmittel bei. Mit weiterem Gutachten vom 12.12.2019 bestätigte der MDK die Einschätzung im ersten Gutachten.

Mit Bescheid vom 17.12.2019 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung verwies sie auf die MDK-Gutachten und führte aus, es handele sich um eine neue Behandlungsmethode. Dagegen legte die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, am 15.01.2020 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 21.02.2020 führte die inzwischen anwaltlich vertretene Klägerin aus, bereits kurz nach der Erstversorgung im Jahr 2014 seien erhebliche Erfolge erkennbar gewesen. Beispielsweise habe die Einnahme von Movicol nach Benutzung des Innowalk erheblich reduziert werden können. Die Spastiken hätten sich verbessert, entscheidend habe sich der Innowalk auch für den postoperativen Hüftschutz nach der 2013 erfolgten OP erwiesen. U.a. diene der Innowalk der Regulierung des Muskeltonus, Reduzierung der Spastik, Aktivierung und Erhaltung der Muskelkraft, Anregung/Verbesserung der Vitalfunktionen, Anregung der Darmfunktion, Förderung der Gehfähigkeit und der Gangstabilität, Verbesserung der Gewichtsübernahme im Stehen/Gehen, Verbesserung der Körperkoordination und Kontrolle/Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit, Verbesserung der Kopf- und Rumpfstabilität, Reduzierung von Medikamenten und deren Nebenwirkungen sowie der Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens. Es komme zu einem unmittelbaren und mittelbaren Behinderungsausgleich; die fehlende Funktion des Sitzens, Stehens und Gehens, der Bewegung und der Teilhabe im Alltag würden unmittelbar ausgeglichen. Ein mittelbarer Ausgleich finde insofern statt, als durch die Nutzung eine eigene Sitzfähigkeit, Stehfähigkeit und Gehfähigkeit und die selbstständige Teilhabe am sozialen Leben und Alltag erlernt und erreicht werden solle. Auch ergebe sich aus Stellungnahmen des GBA vom 17.08.2018 und 13.12.2018, dass es sich nicht um eine NUB handele. Das Hilfsmittel werde durch geschulte Außendienstmitarbeiter speziell für den jeweiligen Patienten eingestellt. So erfolge eine individuelle Größenanpassung unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Patienten. Eine individuelle Spastikkontrolle werde voreingestellt. Diese schalte im Falle eines zu starken Gegendrucks automatisch so lange ab, bis die Spastik sich gelegt habe. Die maximalen Nutzungszeiten würden ebenfalls voreingestellt und im Laufe der Zeit an die jeweiligen Fortschritte angepasst. Die Einstellungen könnten durch d...

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