Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegeversicherung. Beschränkung der Aufwendungen bei Unterbringung in vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

So lange sich ein Pflegebedürftiger in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe befindet, spielt der Umfang der Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe I, II oder III für die Frage der Leistungshöhe keine Rolle. Die Aufwendungen sind auf höchstens DM 500 je Kalendermonat beschränkt.

2. Die Ungleichbehandlung von Behinderteneinrichtungen nach § 43a SGB 11 und Pflegeeinrichtungen nach § 71 Abs 2 SGB 11 sowie der Ausschluß von vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe aus dem Kreis der Pflegeeinrichtungen in § 71 Abs 4 SGB 11 verstoßen nicht gegenArt 3 GG .

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.04.2001; Aktenzeichen B 3 P 11/00 R)

 

Tatbestand

Umstritten ist die Höhe der Leistung bei vollstationärer Unterbringung in Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Die 1948 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Die Beklagte zahlte von April 1995 bis Juli 1995 Pflegegeld nach Pflegestufe III (Bescheid vom 17.12.1996).

Seit August 1995 befand sich die Klägerin im Pflegeheim "Marienfeld", einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe. Mit Bescheid vom 23.01.1997 kündigte die Beklagte an, sie werde sich an den Kosten mit 10 % des nach § 13 Abs. 2 BSHG vereinbarten Heimentgelts beteiligen, höchstens jedoch DM 500 je Kalendermonat.

Mit dem Widerspruch vom 06.02.1997 wurde bestritten, daß es sich um eine Einrichtung der Behindertenhilfe handele und auf die Feststellung der Schwerstpflegebedürftigkeit im Bescheid über Pflegegeld vom 17.12.1996 hingewiesen. Der Widerspruch wurde in der Folgezeit zurückgenommen.

Im Januar 1998 teilte der zum Betreuer in Vermögensangelegenheiten bestellte Kläger-Bevollmächtigte mit, es sei gelungen, für die Klägerin ab 16.02.1998 einen Platz im Pflegeheim "..." zu beschaffen. Er beantragte die Kostenübernahme in Höhe von DM 2.800 nach Pflegestufe III. Noch im Januar 1998 teilte die Beklagte dem Betreuer mit, es könne nur eine Kostenbeteiligung in Höhe von DM 500 erfolgen, weil das Pflegeheim "..." keinen Versorgungsvertrag nach§ 43a SGB XI habe. Der Betreuer bat unter Nachweis der täglichen Pflegekosten von DM 256,76 um einen rechtsmittelfähigen Bescheid.

Mit Bescheid vom 16.02.1998 teilte ihm die Beklagte mit, aufgrund des Pflegeheimwechsels werde sie sich weiterhin an den Kosten der vollstationären Pflege in einer Einrichtung der Behindertenhilfe mit höchstens DM 500 je Kalendermonat beteiligen.

Am 12.03.1998 wurde erneut Widerspruch eingelegt und zur Begründung vorgetragen, es bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Die generelle Herausnahme von Behinderteneinrichtungen aus der Gruppe der Pflegeeinrichtungen nach§ 71 SGB XI verstoße gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG), weil ein sachlicher Grund nicht gegeben sei. In den Behinderteneinrichtungen werde dieselbe Pflege erbracht wie in anerkannten Pflegeeinrichtungen. Es erfolge eine Ungleichbehandlung zwischen behinderten und nichtbehinderten Pflegebedürftigen. Außerdem würden vermögende behinderte Pflegebedürftige gegenüber denjenigen benachteiligt, bei denen die Sozialhilfe die Kosten der Unterbringung in der Behinderteneinrichtung trage. Die Leistungen der Pflegeversicherung seien aber vermögensunabhängig zu gewähren. Zusätzlich wurde darauf hingewiesen, die Klägerin sei von Geburt an behindert. Aufgrund ihrer Behinderung und der Feststellungen des MDK könnte sie grundsätzlich Leistungen nach Pflegestufe III verlangen, wenn sie nicht in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe, sondern in einer allgemeinen Pflegeeinrichtung wäre. Die Aufnahme der Klägerin in eine allgemeine Pflegeeinrichtung, mit der entsprechende Versorgungsverträge der Krankenkasse bestünden, sei jedoch nicht möglich, "weil im vorliegenden Fall die Pflegebedürftigkeit ... gerade auf ihrer Behinderung beruhe, die allerdings nicht heilbar sei, mit der Folge, daß der grundsätzliche Zweck der Eingliederungshilfe, ... ein normales Leben zu ermöglichen, nie erreicht werden könne".

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 27.10.1998, zugestellt am 29.10.1998, zurück, weil mit dem Pflegeheim "..." kein Versorgungsvertrag nach§ 72 Abs. 1 SGB XI bestehe. Bei diesem Haus handele es sich um eine vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe nach 43a SGB XI. Im übrigen wird auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.

Mit der am 18.11.1998 erhobenen Klage wird unter Wiederholung des früheren Vorbringens die Auffassung vertreten, auch bei vollstationärer Pflege in einer Einrichtung der Behindertenhilfe sei im Wege der verfassungskonformen Auslegung ein Betrag von DM 2.800 zu gewähren. Es wird hervorgehoben, daß mit Bescheid vom 17.12.1996 bereits die Klägerin der Pflegestufe III zugeordnet und entsprechendes Pflegegeld gezahlt worden war. Weiterhin wird vorgetragen, die Klägerin sei in der Vergangenheit in einem Pflegeheim gewesen, in dem sie in eine...

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