Entscheidungsstichwort (Thema)
Risikostrukturausgleich. Jahresausgleich 1997. Datenlage für 1997. Festsetzung des Ausgleichs. repräsentative Stichprobe. invalide Daten. Amtsermittlungspflicht. Rechtswidrigkeit der Korrekturen für Vorjahre. kein Verstoß gegen höherrangiges bzw internationales Recht. EG-Wettbewerbsrecht. Kartellrecht. Gesetzeseingriff. Wahrung der Proportionalität und Zumutbarkeit. kein Verstoß gegen Entscheidungsgrundsätze des BVerfG
Orientierungssatz
1. Das Bundesversicherungsamt (BVA) war im Hinblick auf die Datenlage nicht gehindert, den Ausgleich festzusetzen. Bei mehr als 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten ist es praktisch ausgeschlossen, zu einem bestimmten Stichtag einen genauen Überblick über die im Risikostrukturausgleich (RSA) relevanten Daten zu erhalten. Erst recht muss dies gelten, wenn statt einer Datenvollerhebung ein standardisiertes Leistungsbild ermittelt wird (§ 267 Abs 3 S 3 SGB 5). Allerdings müssen die Stichproben "repräsentativ" sein.
2. Ergibt sich aus der vom Gesetzgeber begrenzten Stichprobenanzahl der Verdacht, dass sie die Struktur der Gesamtheit nur im Rahmen einer größeren Unsicherheitsbandbreite widerspiegelt, so muss der Adressat der Regelung - hier der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung - dieses hinnehmen.
3. Die entsprechend der Vereinbarung vom 26.5.1997 gezogenen Stichproben gelten als repräsentativ iS des § 267 Abs 3 S 3 SGB 5, soweit nicht sonstige systematische Fehler im Stichprobenplan, oder bei dessen Ausfüllung den Schluss angreifbar erscheinen lassen, dass die Stichproben ein tolerables Abbild der Grundgesamtheit sind.
4. Die Festsetzung des BVA sind nicht rechtswidrig, wenn in den Stichproben invalide Daten eingeflossen sind.
5. Zur Amtsermittlungspflicht des BVA aus § 20 SGB 10.
6. Die Bescheide des BVA sind insoweit rechtswidrig, als in ihnen Korrekturen für die Vorjahre durchgeführt sind, und deshalb die klagende Krankenkasse über den Ausgleichsbetrag für das Jahr 1997 mit weiteren Forderungen belastet wird.
7. Die Vorschriften des RSA verstoßen nicht gegen höherrangiges (internationales) Recht.
8. Der RSA ist keine Maßnahme, die das Einschränken oder gar Verhindern des Wettbewerbes bezweckt oder bewirkt.
9. Die Grenzen der Proportionalität und Zumutbarkeit für den Gesetzeseingriff in Art 2 Abs 1 GG sind gewahrt.
10. Der RSA verstößt nicht gegen Entscheidungsgrundsätze des Bundesverfassungsgerichts (vgl BVerfG vom 11.11.1999 - 2 BvF 2/98 = BVerfGE 101, 158 und BVerfG vom 22.6.1995 - 2 BvL 37/91 = BVerfGE 93, 121).
Nachgehend
Tatbestand
Mit dem hier angefochtenen Bescheid hat die Beklagte Ausgleichszahlungen aus dem sogenannten Risikostrukturausgleich (RSA) festgesetzt. Durch ihn soll die Beitragsbelastung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten angeglichen werden; die Versicherungen ihrerseits sollen gleiche Startchancen im neu eröffneten Wettbewerb untereinander erhalten.
Hintergrund ist folgender: Bereits mit dem Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheitsreformgesetz -- GRG -- am 01.01.1989 in Kraft getreten) war versucht worden, die finanzielle Leistungsfähigkeit des gesetzlichen Krankenversicherungssystems nachhaltig zu sichern. Schon vier Jahre später jedoch waren erneut umfassende gesetzlich Änderungen erforderlich, wobei die Bundesregierung auch in einer Strukturänderung der gesetzlichen Krankenkassen eine Möglichkeit sah, deren Probleme zu lösen (vgl. dazu BT-Drucksache 12/3209, 38). Insbesondere schienen die Beitragssatzunterschiede von seinerzeit zwischen 8 vom Hundert und nahezu 17 vom Hundert verfassungsrechtlich zweifelhaft. Deshalb sollte den gesetzlich Krankenversicherten ermöglicht werden, unter den Krankenkassen frei zu wählen. Allerdings konnten eine gleiche Wahlmöglichkeit der Versicherten und als Gegenstück dazu faire Wettbewerbsbedingungen unter den Krankenkassen nur realisiert werden, wenn die historisch gewachsenen Unterschiede in der Struktur der versicherten Risiken ausgeglichen würden. Durch sie waren insbesondere die Ortskrankenkassen (neben der Bundesknappschaft) unverhältnismäßig belastet, die nach § 226 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung das Grundgefüge der gesetzlichen Krankenversicherung bildeten.
Im Entwurf des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz -- GSG) der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vom November 1992 (vgl. dazu BT-Drucksache 12/3608) wurden deshalb die bisherigen Finanzausgleiche bei überdurchschnittlichen Bedarfssätzen (§§ 266, 267 Buch V des Sozialgesetzbuches -- SGB V a. F.) und für die Ausgaben der Krankenversicherung der Rentner (KVdR, §§ 268 bis 273 SGB V) und für die Ausgaben der Krankenversicherung der Rentner (KVdR, §§ 268 bis 273 SGB V) durch einen RSA zwischen allen Krankenkassen ersetzt. Das dann verabschiedete