Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Zulässigkeit der Verrechnung einer Tilgung aus Darlehen des Grundsicherungsträgers für eine Mietkaution mit der Regelleistung
Orientierungssatz
Bei der Gewährung eines Darlehens durch den Grundsicherungsträger an den Grundsicherungsempfänger zur Zahlung einer Mietkaution bzw. eines Genossenschaftsanteils bei Bezug einer Wohnung ist die Festlegung einer Tilgungsverpflichtung aus der Regelleistung gemäß § 42a SGB 2 zulässig, auch wenn sich die Tilgung aufgrund der Höhe des Darlehens über einen längeren Zeitraum erstreckt (entgegen Sozialgerichts Berlin, Beschluss vom 30.09.2011, S 37 AS 24431/11 ER).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die Einbehaltung von Tilgungsleistungen.
Der am 18.04.1971 geborene Kläger steht im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Er ist hochgradig schwerhörig und hat einen gesetzlichen Betreuer für Vermögensangelegenheiten/Vertretung bei Behörden.
Am 04.10.2011 unterzeichnete er einen Mietvertrag über die Anmietung einer Genossenschaftswohnung. Er erklärte gleichzeitig seinen Eintritt in die Genossenschaft mit der Verpflichtung, einen Genossenschaftsanteil i.H.v. 801 EUR einschließlich Eintrittsgeld in Höhe von 26 EUR zu erwerben.
Zuvor hatte der Beklagte bestätigt, dass der Umzug im Sinne des SGB II anerkannt werde und dringend erforderlich sei, weil der akute Wohnungsnotstand beseitigt werde. Der Kläger war zuvor vorübergehend in einem Männerwohnheim untergebracht.
Mit Bescheid vom 21.12.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger 801 EUR für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen bezüglich der neuen Wohnung darlehnsweise. Zugleich wurde festgelegt, dass das Darlehen nach § 42a Abs. 2 SGB II durch monatliche Aufrechnung von 10 vom 100 der für den Kläger jeweils zu zahlenden Regelleistung zu tilgen sei. Die dem Kläger zustehende Regelleistung werde ab dem 01.01.2012 in monatlichen Raten in Höhe von derzeit 36,40 EUR gegen die laufenden Leistungen aufgerechnet.
Hiergegen wurde Widerspruch erhoben. Der Kläger meint, der Rückzahlungsanspruch werde erst bei Beendigung des Mietverhältnisses gegen den Vermieter fällig und nicht etwa früher. Die Tilgungsbestimmung sei nach der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts (Aktenzeichen L 9 SO 121/07 ER) nicht rechtmäßig. Mietkaution und Umzugskosten seien keine Regelleistungen, die gegen die Regelleistung aufgerechnet werden könnten. Eine eventuelle Einverständniserklärung mit der ratenweisen Tilgung werde vorsorglich widerrufen.
Mit Widerspruchbescheid vom 01.03.2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Gemäß § 22 Abs. 6 S. 3 SGB III solle eine Mietkaution als Darlehen erbracht werden. Wegen der vergleichbaren Interessenlage im Hinblick auf den Sicherungscharakter entspreche die Mietkaution der (darlehnsweisen) Übernahme von Aufwendungen für den Erwerb von Pflichtanteilen an einer Wohnungsbaugenossenschaft. Für die Begründung und Rückzahlung dieses Darlehens gelte § 42a SGB II. Es handele sich um eine gebundene Verwaltungsentscheidung, so dass für Ermessenserwägungen kein Raum bestehe.
Hiergegen richtet sich die am 02.04.2012 erhobene Klage.
Der Kläger meint, Tilgungsleistungen für ein Kautionsdarlehen seien in der Regelleistung nicht vorgesehen. Es liege ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Transparenzgebot vor, denn die Regelleistung werde durch hoheitliche Intervention zu einem Zweck herangezogen, der nicht als Grundlage in die Berechnung der Leistungshöhe eingegangen sei. Eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Berechnung wäre wenig wert, wenn sie beliebigem Verwertungszwang unterworfen werden könnte. § 22 Absatz 6 S. 3 SGB II sei verfassungskonform so auszulegen, dass der Kautionsbedarf durch Zuschuss oder auf sonstige Weise, nicht aber durch ein Darlehen zu decken sei. Zudem würde eine 10 prozentige Aufrechnung erst nach mehreren Monaten oder Jahren zu einer vollständigen Tilgung des Darlehens führen. Dies habe zur Folge, dass Einsparungen zur Deckung unregelmäßig anfallender Bedarfe kaum möglich seien, was wiederum zu einer längerfristigen und damit verfassungswidrigen Unterdeckung führen würde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 21.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 01.03.2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab Januar 2012 Leistungen nach dem SGB II ohne Einbehaltung von Tilgungsbeträgen für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen auszuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, die Tilgung durch monatliche Aufrechnung i.H.v.10 Prozent aus dem Regelbedarf sei zwingend vorgeschrieben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, denn der angefochtene Be...