Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf oder Darlehen wegen unabweisbarem Bedarf. Lebensmittelvorrat für den Katastrophenfall. fehlende Unabweisbarkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten für eine Notbevorratung im Katastrophenfall stellt jedenfalls bei einem erwerbstätigen und über einen Freibetrag von ca 200 € monatlich verfügenden Leistungsberechtigten keinen unabweisbaren Bedarf nach § 21 Abs 6 SGB II oder § 24 Abs 1 SGB II dar.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Kosten für eine Notbevorratung.
Der am ... März 1968 geborene Kläger bezieht seit Jahren Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte gewährte mit Bewilligungsbescheid vom 11. Juli 2016 und Änderungsbescheid vom 20. Juli 2016 vorläufige Leistungen für August 2016 bis Januar 2017; mit Bewilligungsbescheid vom 11. Januar 2017 gewährte er Leistungen für Februar bis Juli 2017. Mit Bewilligungsbescheid vom 20. Februar 2017 gewährte der Beklagte endgültig die Leistungen für August 2016 bis Januar 2017.
Mit Schreiben vom 9. November 2016 beantragte der Kläger Kostenvorschuss und -übernahme für eine Notbevorratung gemäß des neuen Zivilschutzkonzepts des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Die Bundesregierung habe die Bevorratung von Lebensmitteln und Wasser pro Person für den Notfall/Krise/ausgerufenen Notstand für 10 Tage dringend empfohlen. Er beantrage, ihm 200 € zu überweisen. Er werde mit dem Geld Lebensmittel und Wasser für 14 Tage anschaffen.
Der Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 18. November 2016 ab, den Bewilligungsbescheid vom 11. Juli 2016 zu ändern. Ein Mehrbedarf für unabweisbare, laufende besondere Bedarfe in Härtefällen (§ 21 Abs. 6 SGB II) bestehe nicht. Kosten insbesondere für Ernährung seien konkret bereits im Regelbedarf enthalten. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und verwies zur Begründung darauf, dass der Bedarf einer dringenden Empfehlung der Bundesregierung entspreche. Er mache keinen Mehrbedarf geltend, sondern einen Erstbeschaffungsbedarf (einmaliger Bedarf). Ein Notstand könne jederzeit unerwartet eintreffen. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2016 lehnte der Beklagte, im Wesentlichen mit der gleichen Begründung, den Antrag auch als Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II ab. Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2017 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. November 2016 in der Fassung vom 23. Dezember 2016 zurück.
Der Kläger hat am 20. April 2017 Klage erhoben und zugleich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (S 11 AS 829/17 ER) gestellt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine bisherigen Angaben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 18. November 2016 in der Gestalt des Bescheides des Beklagten vom 23. Dezember 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, zusätzliche Leistungen für die Kosten für eine Notbevorratung i.H.v. 200,00 € zu übernehmen
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzulehnen.
Er verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren.
Den Eilantrag hat das Gericht mit Beschluss vom 9. Mai 2017 wegen fehlender Eilbedürftigkeit abgelehnt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die begehrte Zahlung.
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Die hier allein in Frage kommenden Mehrbedarfe umfassen nach § 21 Abs. 1 SGB II Bedarfe nach § 21 Abs. 2 bis 7 SGB II, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind. In Frage kommt danach nur ein Leistungsbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II. Danach wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht.
Bei dem Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II handelt es sich um keinen eigenständigen und von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abgetrennten Streitgegenstand (BSG, Urteil vom 29. November 2012, B 14 AS 6/12 R, SozR 4-1300 § 45 Nr. 12; BSG, Urteil vom 5. August 2015, B 4 AS 9/15 R). Dementsprechend ist der Antrag des Klägers im Schreiben vom 9. November 2016 als Antrag auf Änderung des Bewilligungsbescheides vom 11. Juli 2016 anzusehen (Antrag nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X). Der Beklagte hat ihn mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. November 2016 auch als solchen behandelt und ein...