Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch des Bestattungskosten vorläufig leistenden Sozialhilfeträgers gegenüber dem örtlich zuständigen Träger
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich ist für die Übernahme der Bestattungskosten nach § 98 Abs. 3 SGB 12 sachlich und örtlich zuständig der örtliche Träger der Sozialhilfe, der bis zum Tod des Leistungsberechtigten Sozialhilfe gewährt hat; ansonsten der Träger des Sterbeortes.
2. Ziel der Übernahme der Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger nach § 74 SGB 12 ist es, eine der Würde des Verstorbenen entsprechende Bestattung auch bei mittellosen Personen sicherzustellen. Damit ist bei der Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit in erster Linie auf die Verhältnisse der verstorbenen Person abzustellen. Der in § 97 Abs. 4 HS. 2 SGB 12 genannte § 74 SGB 12 kommt nur dann zur Anwendung, wenn der Pflegebedürftige in der Einrichtung selbst verstorben ist (Vergleiche: BSG, Urteil vom 29. September 2009, B 8 SO 23/08).
3. Hat der überörtliche Sozialhilfeträger zunächst die Bestattungskosten getragen, so hat er gegenüber dem örtlichen Träger einen Erstattungsanspruch, wenn Letzterer nach materiellem Recht der eigentlich zuständige Träger gewesen ist.
Tenor
I. Die Beklagte Stadt Straubing wird verurteilt, dem Kläger 2.253,01 € zu erstatten.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.253,01 € festgesetzt.
Gründe
I.
Da sowohl die Klägervertreterin als auch der Vertreter der Beklagten im Termin vom 04.07.2012 einen Rechtsmittelverzicht erklärt haben, bedarf das Urteil grundsätzlich weder des Tatbestands noch der Entscheidungsgründe (Rechtsgedanke des § 136 Abs. 4 SGG) und ist nicht anfechtbar.
II.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits weist das Gericht jedoch auf Folgendes hin:
1. Der Erstattungsanspruch ergibt sich aus § 102 SGB X. Danach ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat.
Der Kläger hat mit Bescheid vom 08.12.2011 die Bestattungskosten für den Verstorbenen SGB II-Bezieher Herrn J.-H. S. in Höhe von 2.253,01 € übernommen, da der kostentragungspflichtige Erbe, Herr R. M., mangels Leistungsfähigkeit hierzu nicht in der Lage war. Der Antrag wurde zunächst beim Kläger gestellt, so dass dieser nach § 43 SGB I vorläufig zu Leistung verpflichtet war.
a) Zwischen den Parteien ist alleine streitig, wer sachlich zuständige Behörde für den Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII ist. Grundsätzlich ist gemäß § 98 Abs. 3 SGB XII sachlich und örtlich zuständig der örtliche Träger der Sozialhilfe, der bis zum Tod des Leistungsberechtigten Sozialhilfe gewährt hat, ansonsten der Träger des Sterbeortes (vgl. hierzu nur Berlit, in: Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 9. Auflage 2012, § 74 Rn.16). Danach wäre unstreitig die beklagte Stadt Straubing zuständiger Sozialhilfeträger.
b) Im streitgegenständlichen Verfahren besteht nun die Besonderheit, dass der nach § 74 SGB XII Anspruchsberechtigte (= Kostentragungsverpflichteter) zum Zeitpunkt des Versterbens des Erblassers vom Kläger Leistungen nach dem SGB XII in Form von Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 54, 55 SGB XII und Grundsicherung für ambulant betreutes Wohnen bezogen hat. Somit könnte nach dem reinen Wortlaut des § 97 Abs. 4 1. Hs. SGB XII i. V. m. Art. 82 Abs. 2 AGSG der Kläger als überörtlicher Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig sein. § 97 Abs. 4 2. Hs. SGB XII, der explizit auf § 74 SGB XII verweist, betrifft nach einhelliger Meinung den Fall, dass der Pflegebedürftige in der - stationären - Einrichtung verstirbt und die Bestattungspflichtigen die Kosten der Beisetzung nicht aufbringen können. Diese Fallkonstellation liegt vorliegend gerade nicht vor. In diesem Sonderfall ist ausnahmsweise der überörtliche Träger auch für die Übernahme der Bestattungskosten zuständig (Schoch, in: Bieritz-Harder/ Conradis/Thie, SGB XII, 9. Auflage 2012, § 97 Rn. 14 ff.; BVerwG 5.6.1997 - 5 C 13.96 - NDV-RD 1997, 129).
Die Kammer ist der Ansicht, dass es für das Eingreifen der Sonderzuständigkeit § 97 Abs. 4 1. Hs. SGB XII i. V. m. Art. 82 Abs. 2 AGSG nicht ausreicht, dass der Hilfedürftige und nach § 74 SGB XII Anspruchsberechtigte sich in einer - stationären - Einrichtung aufhält. Nach dieser Vorschrift ist der Hilfeträger zuständig für alle Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind. Sinn dieser Regelung ist, dass ein Sozialhilfeträger für alle Leistungen eines Hilfefalles zuständig sein soll (Gesamtfallgrundsatz). Vorliegend geht es nicht um eine eigene Hilfebedürftigkeit des Anspruchstellers im engeren Sinne, sondern um eine vom Erblasser abgeleitete Hilfebedürftigkeit. Ziel des § 74 SGB XII ist es auch, eine der Würde des Verstorbenen entsprechende Bestattung auch bei mittellosen Personen sicherzustellen. Damit ist bei der Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit in erster Linie auf die Verhältnisse d...