Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Wegfall der Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes ab 1.1.2011. Verfassungsmäßigkeit. Elterngeld keine zweckbestimmte Einnahme

 

Leitsatz (amtlich)

Die Berücksichtigung des Elterngeldes als Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, welche durch die Abschaffung des § 11 Abs 3a SGB 2 und die Einführung des § 10 Abs 5 BEEG zum 1.1.2011 herbeigeführt wurde, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Orientierungssatz

Elterngeld stellt auch keine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 aF bzw § 11a Abs 3 S 1 SGB 2 nF dar.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, inwieweit die Anrechnung des von der Klägerin zu 1) für die Klägerin zu 4) bezogenen Elterngeldes in Höhe von 300,00 € monatlich als Einkommen im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.05.2011 rechtmäßig ist.

Die Kläger zu 1) und zu 2) sind die Eltern der minderjährigen Kläger zu 3) und 4). Am 22.05.2010 wurde die Klägerin zu 4) geboren.

Die Klägerin zu 1) bezieht Elterngeld in Höhe von 300,-- € monatlich für die Klägerin zu 4). Neben dem Elterngeld erhalten die Kläger zu 1) und zu 2) Kindergeld für die Kläger zu 3) und 4). Am 18.10.2010 beantragten die Kläger die Weiterbewilligung von SGB II-Leistungen für die Zeit ab 01.12.2010 (Bl. 376 Beklagtenakte).

Mit Bescheid vom 27.10.2010 (Bl. 381 Beklagtenakte) bewilligte das beklagte Jobcenter den Klägern Leistungen für die Zeit vom 01.12.2010 bis 31.05.2011 in Höhe von 1.143,00 € bzw. 973,60 € monatlich. Bei der Leistungsbewilligung wurde bei der Klägerin zu 1) für die Zeit ab 01.01.2011 ein Einkommen in Höhe von 300,00 € aus Elterngeld zugrunde gelegt.

Gegen den Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 10.11.2010 Widerspruch (Bl. 389 Beklagtenakte) ein.

Mit Änderungsbescheid vom 24.11.2010 (Bl. 391 Beklagtenakte) wurde der Bescheid vom 27.10.2010 dahingehend abgeändert, als bei der Bereinigung des Elterngeldes der monatliche Kfz-Haftpflichtversicherungsanteil i.H.v. monatlich 52,95 € abgesetzt wurde.

Mit Änderungsbescheid vom 26.03.2011 (Bl. 410 Beklagtenakte) wurden die Änderungen der Regelbedarfe zum 01.01.2011 berücksichtigt. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 10.05.2011 (Bl. 431 Beklagtenakte) wurden rückwirkend zum 01.01.2011 die Kosten für Warmwasser im Rahmen der Kosten der Unterkunft übernommen.

Mit Bewilligungsbescheid vom 10.05.2011 (Bl. 442 Beklagtenakte) wurde den Klägern für den Zeitraum 01.06.2011 bis 30.11.2011 monatliche Leistungen in Höhe von 1.323,53 € bewilligt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2011 (Bl. 446 Beklagtenakte) wurde der Widerspruch mit Verweis auf die Gesetzesänderung zum 01.01.2011 zurückgewiesen.

Die Kläger haben am 18.07.2011 Klage beim Sozialgericht Landshut erhoben:

Die Kläger sind der Ansicht, dass der Bescheid vom 27.10.2010 in der Fassung der jeweiligen Änderungsbescheide und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2011 rechtswidrig ist, weil für die Zeit ab 01.01.2011 das Elterngeld als Einkommen nach § 11 SGB II angerechnet werde. Dies sei nicht richtig. Nach § 10 Abs. 1 BEEG sei das Elterngeld auf andere Sozialleistungen, die einkommensabhängig sind, nicht anzurechnen. Selbst bei Ermessensleistungen dürfe das Elterngeld nach § 10 Abs. 2 BEEG nicht berücksichtigt werden.

Ausgenommen hiervon seien seit dem 01.01.2011 nur die Bezieherinnen von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und dem Kinderzuschlag nach § 6a BKGG (§ 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG). Die Bezieherinnen von SGB II- und SGB XII-Leistungen seien also, wenn sie wegen der Kinderbetreuung nach § 1 BEEG Elterngeld erhalten, ohne vor der Geburt erwerbstätig gewesen zu sein, schlechter gestellt, als die Bezieherinnen einer anderen einkommensabhängigen Sozialleistung, wie z.B. BAföG-Bezieher.

Die Neuregelung verstoße damit gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip. Der Gesetzgeber differenziere bei der Familienleistung Elterngeld zwischen den Eltern, und schließt die ärmsten Eltern und deren Kinder von der Förderung aus, ohne dass ein rechtfertigender Grund hierfür ersichtlich ist.

Die Kläger beantragen,

das beklagte Jobcenter unter Abänderung des Bescheids vom 27.10.2010 und der entsprechenden Änderungsbescheide sowie des Widerspruchsbescheids vom 15.06.2011 zu verpflichten, den Klägern Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung von Elterngeld für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.05.2011 zu gewähren.

Das beklagte Jobcenter beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Jobcenter ist der Ansicht, dass der angegriffene Bescheid rechtmäßig sei. Die Behörde sei an die geltende Rechtslage gebunden. Danach habe seit dem 01.01.2011 die Anrechnung des Elterngeldes als Einkommen im Rahmen der Leistungsgewährung des SGB II zu erfolgen. Der Bescheid entspreche den gesetzlichen Grundlag...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge