Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege ist nicht dadurch ausgeschlossen, weil die Einrichtung selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist.

2. Die Erbringung medizinischer Behandlungspflege gehört nicht regelmäßig als einfachste Maßnahme der Krankenpflege zu der von ambulant betreuten Wohngemeinschaften geschuldeten Leistung.

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des SG Landshut vom 18.6.2019 - S 4 KR 235/19, das vollständig dokumentiert ist.

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 16.10.2018, geändert im Bescheid vom 08.11.2018 in Form des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2018, Az. ..., wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der häuslichen Krankenpflege für den Zeitraum vom 22.10.2018 bis 31.12.2018 in Höhe von 315,22 EUR freizustellen sowie an die Klägerin 1.882,40 EUR zu bezahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung und Freistellung von den Kosten häuslicher Krankenpflege in Form von Medikamentenabgabe und Blutzuckermessungen vom 22.10.2018 bis 31.12.2018 während die Klägerin in einer ambulant betreuten Wohngruppe lebt.

1.

Die am ...1939 geborene Klägerin lebt seit dem 11.12.2016 in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft II in dem "Seniorenservicehaus L." zusammen mit 11 weiteren Personen. In dem selben Gebäude befindet sich eine weitere Wohngemeinschaft mit maximal 12 Bewohnern.

Die Klägerin erhält Pflegeleistungen aus dem Pflegegrad 4. Leistungen der Pflegeversicherung werden im Rahmen der Sachleistung in Anspruch genommen. Die Pflegekasse zahlt auch den Wohngruppenzuschlag in Höhe von 214,00 €.

2.

Dem Aufenthalt in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft in dem "Seniorenservicehaus L." lagen folgende Verträge zugrunde:

Mit der Firma W. Service Wohnen GmbH schloss die Klägerin folgende Verträge:

- den Mietvertrag vom 11.12.2016 (Mietvertrag), der u.a. folgende Regelungen enthält:

Nr. 1.1: Dem Mieter wird der Raum Nr. A001, der aus dem beigefügten Lageplan ersichtlich ist, ausschließlich zu Wohnzwecken überlassen.

Nr. 3.1: Die Miete (Netto-Kaltmiete) beträgt monatlich 418,12 Euro.

Nr. 4.1: Die Betriebskosten für den Raum A001 betragen 174,20 Euro als monatliche Pauschalzahlung.

Nr. 5.1: Bei Vertragsunterzeichnung leistet der Mieter eine Kaution in Höhe von drei Monatskaltmieten = 1.254,36 Euro.

Nr. 12.2: Die diesem Vertrag beigefügte Gemeinschaftsordnung, der Betreuungsvertrag und das Übergabeprotokoll sind Vertragsbestandteil.

- den Betreuungsvertrag vom 11.12.2016 (Betreuungsvertrag), der u.a. folgende Regelungen enthält:

§ 2 Nr. 4: Die Leistungen der Betreuungskräfte umfassen insbesondere:

- Rufbereitschaft 24 Stunden

- Bereithaltung bzw. Vermittlung von pflegerischen Diensten;

- Gewährung von Erster Hilfe im Notfall und Vermittlung ärztlicher Hilfe;

- Verständigung von Angehörigen bei Notsituationen;

- Kooperation mit Ärzten;

- Hilfestellung in Behördenangelegenheiten;

- Entwicklung und Gestaltung einer Hausgemeinschaft;

- Information und Beratung der Angehörigen bzw. Betreuer;

- Wäscheservice...

- Zubereitung von täglich drei Haupt-, sowie bis zu drei Zwischenmahlzeiten mit alkoholfreien Getränken

- Reinigung der Wohnung;

§ 3 Nr. 1: Für die in § 2 bezeichneten Leistungen erhält der Träger vom Bewohner ein pauschales Entgelt in Höhe von monatlich € 1.150,00.

Mit dem ambulanten Pflegedienst K. W. schloss die Versicherte außerdem einen Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen vom 11.12.2016 (Pflegevertrag) mit folgendem Inhalt:

1.2. Die Leistungen des SGB V und deren Vergütungen ergeben sich dem Grunde nach aus der vom Pflegedienst mit der Krankenkasse des Kunden geschlossenen Vergütungsvereinbarung. Die vertragsärztlich verordneten Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V werden mit der auf der Rückseite dieser Verordnung vorgesehenen Unterschrift des Kunden jeweils Bestandteil des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs. Für nicht gesetzlich krankenversicherte Kunden, die ärztlich verordnete Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Anspruch nehmen, ergeben sich die Vergütung dieser Leistungen aus einem Kostenvoranschlag den der Pflegedienst unverzüglich aushändigt.

1.3. Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung - soweit bewilligt - und der Pflegeversicherung oder anderer Sozialleistungsträger werden vom Pflegedienst unmittelbar mit diesen abgerechnet. Die hinsichtlich der Leistungen der Pflegeversicherung verbleibenden Eigenanteile sowie die Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber nicht gesetzlich Versicherten werden dem Kunden in Rechnung gestellt.

1.4. Bewilligt die gesetzliche Krankenkasse ärztlich verordnete Leistungen nicht und

will der Kunde diese dennoch in Anspruch nehmen, erstellt der Pflegedienst einen Kostenvoranschlag für diese Leistungen auf Basis der zwischen der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse und dem Pflegedienst vertraglich vereinbarten Vergütung. Die nicht ...

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