Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des an Diabetes mellitus Typ 1 Erkrankten auf Versorgung mit dem Hilfsmittel Eversense zur interstitiellen Glukosemessung

 

Orientierungssatz

1. Der Versicherte hat Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB 5, wenn dieses erforderlich ist, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen.

2. Seit dem 7. 9. 2016 ist die Versorgung mit der interstitiellen Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus als Kassenleistung anerkannt.

3. Das Gerät Eversense erfüllt die Voraussetzungen nach § 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung i. d. F. vom 20. 9. 2018.

4. Nach § 3 Abs. 4 der Richtlinie muss das eingesetzte Gerät ein zugelassenes Medizinprodukt zur kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung mit Real-Time-Messung sein. Das Eversense XL CGM-System ist als Medizinprodukt zugelassen und entspricht den Anforderungen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in der Richtlinie aufgestellt hat.

5. Es ist bei bestehendem Diabetes mellitus vom Typ 1 zu einer notwendigen kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung geeignet. Ist diese im konkreten Fall erforderlich, so hat der Versicherte Anspruch auf Versorgung mit diesem Hilfsmittel.

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 27.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2018 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger mit dem Hilfsmittel kontinuierliches Glukosemonitoring-System Eversense nebst dem erforderlichen Zubehör als Sachleistung zu versorgen.

I. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger mit dem System Eversense zur kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung mit Realtime-Messgerät (rt-CGM) nebst dem hierfür erforderlichen Zubehör zu versorgen.

Der 1969 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet an Diabetes mellitus Typ 1. Für ihn stellte die behandelnde Diabetologin Frau M.-Sch. eine ärztliche Verordnung vom 12.12.2017 aus. Mit Bescheid vom 27.12.2017 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme mit der Begründung ab, dass es sich bei dem Produkt Eversense rt-CGM um kein im Hilfsmittelverzeichnis gelistetes Produkt handele, sondern um ein Implantat. Eine Kostenübernahme könne daher nicht erfolgen. Alternativ könne ein gelistetes rt-CGM System verordnet werden (z.B. Dexcom G4 oder G5, enlite rt-CGM System der Firma M.).

Mit Widerspruch vom 08.01.2018 hiergegen wandte der Kläger ein, dass das Eversense rt-CGM System für ihn das geeignetste und alltagstauglichste sei. Er sei Insulinpumpenträger und müsse den Katheter alle zwei bis drei Tage wechseln. Die im Bescheid vorgeschlagenen Systeme würden mit Sensoren arbeiten, die im selben Bereich wie die Katheter der Pumpe gesetzt und im Abstand von sieben Tagen gewechselt werden müssten. Der Sensor des Eversense rt-CGM Systems werde am Oberarm implantiert und könne drei Monate genutzt werden. Es entstehe kein Konflikt mit dem Katheter der Pumpe. Es handele sich um ein zugelassenes Medizinprodukt und eine Verordnung sei auch ohne Listung im Hilfsmittelverzeichnis möglich.

Am 20.02.2018 wurde ein Hilfsmittelgutachten des MDK Bayern erstellt. Der Gutachter führte aus, dass für das beantragte Medizinprodukt bisher keine Nachweise vorliegen würden, welche den medizinischen Nutzen im Sinne des § 139 Abs. 4 SGB V belegen würden. Es handle sich um ein implantierbares System, welches durch den GBA-Beschluss zur kassenärztlichen Versorgung mit einen rt-CGM vom 16.06./09.06.2016 nicht umfasst sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Bei dieser Methode werden mittels eines Sensors kontinuierlich der Glukosegehalt in einer interstitiellen Flüssigkeit des Unterhautfettgewebes gemessen. Anschließend überträgt ein mit dem Sensor verbundene Transmitter die Messwerte automatisch an das Empfangsgerät. Bei dem Eversense System wird ein Langzeitsensor als Implantat unter die Haut am Oberarm eingesetzt, wodurch das wöchentliche Setzen eines Sensors entfalle. Diese Behandlungsmethode sei vom Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 16.06.2016 nicht umfasst. Eine Aufnahme in die Anlage I der Richtlinie "Methoden vertragsärztliche Versorgung" sei bislang nicht erfolgt. Das beantragte Eversense rt-CGM System sei daher keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat in seiner Sitzung vom 16. Juni 2016 beschlossen, die kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Realtime-Messgeräten rt-CGM) zur Therapiesteuerung bei Patientinnen und Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus in die Anlage I der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung (= anerkannte Un...

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