Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Arbeitsgemeinschaft als institutionalisierter Verwaltungshelfer. Behörde. Prozessstandschaft. Vertrauensschutz für 58er-Regelung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Arbeitsgemeinschaft nach SGB 2 kann - unabhängig von ihrer Rechtsform - zwar gemeinsame Bescheide und Widerspruchsbescheide für die Träger nach § 6 Abs 1 S 1 SGB 2 erlassen; sie tritt aber nicht an die Stelle der Träger und kann daher deren Aufgaben nicht als eigene ausführen. Die Arbeitsgemeinschaft hat daher eine Stellung, die als "institutionalisierter Verwaltungshelfer" bezeichnet werden kann (vgl Weiß in: Estelmann (Hrsg), SGB 2, Stand Juni 2006, § 44b Rn 37).

2. Die Arbeitsgemeinschaft ist nach § 1 Abs 2 SGB 10 Behörde und kann auch als Prozessbevollmächtigte für die Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Träger vor Gericht auftreten oder auch als gewillkürter Prozessstandschafter Prozesse im eigenen Namen führen.

3. Eine gesetzliche Prozessstandschaft der Arbeitsgemeinschaft mit der Folge, dass die Bundesagentur für Arbeit und der kommunale Träger keine eigenen Prozesse über Gegenstände des SGB 2 führen dürfen, kann aus § 44b SGB 2 nicht abgeleitet werden.

4. Zum Vertrauensschutz der sog 58er-Regelung nach § 428 SGB 3 .

 

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt von einer der beiden Antragsgegnerinnen eine höhere monatliche Leistung nach dem Sozialgesetzbuch - SGB - II.

Die Antragsgegnerin zu 1. erließ auf den Antrag der Antragstellerin vom 16.09.2004 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II am 25.10.2004 einen Bescheid über monatliche Leistungen in Höhe von 500,02 € (Bl. 31 der Gerichtsakte). Am 30.11.2004 legte die Antragstellerin hiergegen Widerspruch ein, den sie zum einen damit begründete, dass der Betrag einer jährlichen Pachteinnahme als Monatseinkommen gewertet worden sei und ferner beanspruchte sie auf Grund einer am 20.01.2003 gegenüber der Antragsgegnerin zu 2. abgegebenen Erklärung, wonach sie Arbeitslosenhilfe unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III beziehen möchte (Bl. 312 der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin zu 2.) monatlich höhere Leistungen entsprechend der bisherigen Arbeitslosenhilfe.

Hierauf erließ die Antragsgegnerin zu 1. am 02.12.2004 einen Änderungsbescheid, wonach der Antragstellerin für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 Leistungen in monatlicher Höhe von 582,72 € zustehen. Grund hierfür war die richtige Anrechnung der jährlichen Pachteinnahme. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2005 wies die Antragsgegnerin zu 1. den Widerspruch als unbegründet zurück, soweit ihm nicht durch Erteilung des Änderungsbescheides vom 02.12.2004 abgeholfen wurde. Zur Begründung führte sie aus, dass nach dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 die gesetzlichen Grundlagen zur Gewährung von Arbeitslosenhilfe nach dem SGB III mit Wirkung zum 01.01.2005 ganz aufgehoben und das SGB II zum 01.01.2005 in Kraft gesetzt worden sei. Die von der Antragstellerin am 20.01.2003 abgegebene Erklärung, wonach sie Arbeitslosenhilfe unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III beziehen wolle, habe lediglich zur Folge gehabt, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe von Personen, die 58 Jahre oder älter seien, auch dann bestehe, wenn sie gar keine Beschäftigung mehr aufnehmen wollten. Ferner entfalle die Verpflichtung, sich selbst um eine neue Beschäftigung zu bemühen und dies auf Verlangen nachzuweisen. Darüber hinaus könnten sie nach vorheriger Absprache sich längere Zeit, nämlich bis zu 17 Wochen im Kalenderjahr außerhalb ihres Wohnortes aufhalten, da die Regelung für Arbeitnehmer gedacht sei, die in fortgeschrittenem Alter ihren Arbeitsplatz verloren hätten, zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus dem Erwerbsleben ausscheiden wollten und deshalb nicht mehr an der Aufnahme einer neuen Beschäftigung interessiert seien. Diese Regelung sei nach § 65 Abs. 4 Satz 1 SGB II weiterhin anwendbar für Personen, die das 58. Lebensjahr vollendet hätten und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes allein deshalb nicht erfüllen würden, weil sie nicht arbeitsbereit seien und nicht alle Möglichkeiten nutzen wollten, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu beenden. Diese Übergangsvorschrift finde nach § 65 Abs. 4 Satz 1 SGB II nur dann Anwendung, wenn der Anspruch vor dem 01.01.2006 entstanden sei und der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor diesem Tag das 58. Lebensjahr vollendet habe. Dies sei bei der Antragstellerin der Fall, so dass nach § 65 Abs. 4 Satz 3 SGB II die Vorschrift des § 428 SGB III entsprechend gelte. Die Antragstellerin genieße damit Bestandsschutz hinsichtlich einer Gleichstellung mit dem Personenkreis nach § 2 SGB II, der alle Möglichkeiten nutzen müsse, mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur...

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