Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitgeber. Übernahme von Bußgeldern bei Straßenverkehrsverstößen durch Beschäftigte. beitragspflichtiges Arbeitsentgelt zur Sozialversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Übernimmt der Arbeitgeber für die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer die Zahlung des gegen diese verhängten Bußgeldes, handelt es sich insoweit um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrigen Verstöße im überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Unternehmens liegen sollten, bspw Geschwindigkeitsübertretungen zur termingerechten Vertragserfüllung (hier ua: Straßenverkehrsverstöße in einem Speditionsunternehmen).

 

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

I.

Im Hauptsacheverfahren ist eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen streitig.

Der Antragsteller (Ast) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Gemeinschuldners ... B. als Inhaber des Unternehmens “…„ Dieses beschäftigte rund 70 Arbeitnehmer. Das Unternehmen war bzw. ist vorrangig im Bereich des Transportgewerbes tätig.

Vom 01.09. bis 23.11.2004 nahm die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin (Ag), die Landesversicherungsanstalt Thüringen, eine Betriebsprüfung des Unternehmens für den Zeitraum 01.01.2000 bis 31.12.2003 vor.

Das Ergebnis ergab eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 13.229,32 €. Diese beruhte, neben einem vom tatsächlichen abweichenden gemeldeten Beschäftigungsbeginn, einem Bargeschenk und einem Darlehenserlass gegenüber einem Arbeitnehmer, die beitragspflichtiges Arbeitsentgelt seien, vorrangig auf Bußgeldern im Zusammenhang mit straßen- bzw. güterverkehrsrechtlichen Verstößen. Die gegenüber den Arbeitnehmern verhängten Bußgelder hatte der Ast übernommen, und zwar insgesamt in Höhe von 12.831,19 €.

Durch Bescheid vom 30.11.2004 verlangte die Ag die Nachzahlung der 13.229,32 €. Ausweislich des Summenblattes zum Beitragsbescheid macht die Antragsgegnerin aus Bußgeldzahlungen im Einzelnen folgende Beiträge geltend:

- AOK Thüringen

7.040,76 €

- IKK Thüringen

 478,11 €

- BKK für Heilberufe

 430,88 €

- mhplus BKK

 425,56 €

- DAK

2.474,29 €

- KKH

1.579,31 €

- BEK

      402,28 €

Summe:

 12.831,19 €

Hiergegen legte der Ast am 20.12.2004 Widerspruch ein. Hinsichtlich übernommener Bußgelder sei ein Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig. Unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Thüringer Finanzgerichtes vom 12.09.2002 solle der Bescheid ruhen.

Mit Schreiben vom 08.03.2005 lehnte die Ag die begehrte Aussetzung der Vollziehung ab.

Daraufhin hat der Ast beim Sozialgericht Meiningen am 12.04.2005 die “Aussetzung der Vollziehung„ beantragt (gemeint war: die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs).

Durch Beschluss vom 20.07.2005 hat das Sozialgericht Meiningen den Antrag abgelehnt. Die Übernahme von Buß-/Verwarnungsgeldern stelle grundsätzlich Arbeitslohn dar, der beitragspflichtig sei. Anhaltspunkte für eine betriebliche Entscheidung des Arbeitgebers, wonach die durch Bußgeld geahndeten Verstöße im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gelegen hätten, bestünden nicht.

Hiergegen hat der Ast am 29.08.2005 Beschwerde zum Thüringischen Landessozialgericht eingelegt (Az: L 2 R 671/05 ER). Über die Beschwerde ist noch nicht entschieden.

Durch Beschluss vom 02.01.2006 hat das Amtsgericht Gera über das Unternehmen das Insolvenzverfahren eröffnet und den Ast zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2006 wies die Ag den Widerspruch zurück. Soweit sich der Ast auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) berufe, beziehe sich dies ausschließlich auf Verwarngelder, die auf Grund einer Nichtbeachtung von Halteverboten verhängt worden seien. Die Entscheidung habe - wie herausgestellt - ausdrücklich auf die Besonderheiten des Streitfalls abgestellt. Diese hätten vornehmlich darin gelegen, dass der (damaligen) Deutschen Bundespost straßenverkehrsrechtliche Sonderrechte eingeräumt gewesen seien. Die steuerrechtliche Bewertung, wonach Verwarnungsgelder kein Bestandteil des Arbeitslohns seien, habe dazu gedient, die Konkurrenzfähigkeit im Bereich der Paketzustellung von Arbeitgebern gegenüber der Deutschen Post zu stärken.

Der Ast hat deswegen am 28.02.2006 vorläufigen Rechtsschutz zum Sozialgericht Altenburg begehrt. Der betriebsbedingte Charakter der geleisteten Bußgeldzahlungen beruhe auf dem Charakter des Ast als Speditionsunternehmen. Wegen knapper Terminierung drohten bei Terminsüberschreitungen Vertragsstrafen und der Verlust von Kunden. Die Zahlungen erwiesen sich daher als notwendige Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzungen, zumal die betroffenen Arbeitnehmer hierdurch nicht bereichert seien. Mithin handele es sich um keine Entlohnung, sondern um die Wahrnehmung eines eigenbetriebliches Interesses des Unternehmens. Nur soweit dies betrieblich veranlasst gewesen sei, habe der Ast die Geldbußen übernommen, insbesondere bei Tonnage-, Lenkzeit- oder Geschwindigkeitsüberschreitungen für so...

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