Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen einen Sanktionsbescheid. Nichtaufnahme eines Ein-Euro-Jobs. wichtiger Grund. psychische Störung

 

Orientierungssatz

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Sanktionsbescheid nach § 31 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 2 ist gem § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG anzuordnen, wenn der Sanktionsbescheid mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist, weil der Aufnahme der angebotenen Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung ein wichtiger Grund iS des § 31 Abs 1 S 2 SGB 2 (hier psychische Störung) entgegen stand.

 

Tenor

1. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 25.04.2012 gegen den Sanktionsbescheid vom 20.04.2012 angeordnet. Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, die in Vollziehung des Sanktionsbescheides eingestellte Auszahlung für die Zeit von Mai 2012 bis Juli 2012 unverzüglich nachzuholen, sofern sie eingestellt wurde und fällig ist.

2. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin befindet sich laufend in Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Der Antragstellerin wurden mit Bescheid vom 09.03.2012 bzw. Änderungsbescheid vom 04.04.2012 Leistungen für die Zeit (u.a.) von Mai 2012 bis Juli 2012 bewilligt. Im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren streiten die Beteiligten bezüglich des Sanktionsbescheides vom 20.03.2012, nach dessen Inhalt die Regelleistung der Antragstellerin für die Zeit vom 01.05.2012 bis 31.07.2012 um monatlich 30 % des maßgebenden Regelbedarfes (hier 101,10 €) gemindert wurde.

Unter dem 20.02.2012 wurde der Antragstellerin eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung gem. § 16 d SGB II vorgeschlagen. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Maßnahme wird Bezug genommen auf den Vorschlag vom 20.02.2012. Dieser Vorschlag war mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehen, auf diesen wird Bezug genommen.

Am 24.02.2012 teilte der Lebensgefährte der Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass die Antragstellerin die Arbeitsgelegenheit wegen Erkrankung nicht antreten könne. Er wurde auf Rücksendung des Antwortschreibens und Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder anderweitiger Nachweise diesbezüglich verwiesen.

Am 23.01.2012 erklärte die Antragstellerin in den Räumen des Antragsgegners gegenüber einer Frau B. und einer Freifrau von F., dass ihr die vorherige Maßnahme bei C. e.V. sehr gut gefallen habe, sie sehr gerne wieder in eine solche Arbeitsgelegenheit vermittelt werden wolle, auch wenn ihr Lebensgefährte ihr das sicher nicht erlauben wird, es sei schon das letzte Mal sehr schwierig für sie gewesen. (Aktenvermerk vom 4.06.2012)

Aktenkundlich ist das Zeugnis des C. e.V. bezüglich der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung der Antragstellerin für die Zeit vom 19.10.2011 bis zum 18.01.2012 vom 18.01.2012. Auf den Inhalt wird Bezug genommen.

Die Antragstellerin legte eine fachärztliche Stellungnahme der Dr. B. S. vom 06.06.2012 (offensichtlicher Fehler im Datum des Attests) vor. Danach befindet sich die Antragstellerin seit 17.12.2009 wegen rezidivierenden depressiven Störungen in ambulanter Sprechstunde. Am 07.02.2012 erfolgte die Überweisung in das E. zur Aufnahme in die psychotherapeutische Tagesklinik. Da die Patientin dort keine Behandlungsanliegen formulieren konnte, erfolgte zunächst eine Betreuung in der Aktivgruppe als niederschwelliges Angebot des sozialpsychiatrischen Dienstes. Auch dort konnte keine Indikation für eine tagesklinische Behandlung eruiert werden, so dass die Entlassung in unsere Ambulanz am 01.06. erfolgte. Die Patientin erlebt sich subjektiv weiterhin wenig belastbar, ein Grund für eine Krankschreibung besteht derzeit nicht. Allerdings kann sie nur Tätigkeiten mit geringem körperlichem und geistigen Anspruch verrichten.

Weiterhin vorgelegt wurde eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Dipl.-Med. M. S. für die Zeit vom 29.05.2012 bis 15.06.2012, festgestellt am 04.06.2012, Diagnose F43.2G (akute schizophrenieforme psychotische Störung)

Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 12.03.2012 hinsichtlich der beabsichtigten Sanktion angehört. Eine Reaktion ihrerseits erfolgte nicht. Über den Widerspruch hinsichtlich des Sanktionsbescheides ist bisher noch nicht entschieden worden. Unter dem 03.05.2012, eingegangen bei Gericht am 04.05.2012, beantragte die Antragstellerin,

den Sanktionsbescheid vom 20.04.2012 aufzuheben; hilfsweise die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 25.04.2012 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen wird auf die Verwaltungsakte bzw. die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.

Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.04.2012 hat gem. § 39 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG keine aufschiebende Wirkung....

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