Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Verwertbarkeit eines Grundstücks. keine Saldierung von Aktiva und Passiva. schuldrechtliche Sicherungsabrede. besondere Härte
Orientierungssatz
1. Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB 2 ist nicht der Saldo aus Aktiva und Passiva, sondern ausschließlich die Gesamtheit der Aktiva. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur bei unmittelbar auf dem Vermögensgegenstand lastenden Verbindlichkeiten geboten. Eine drohende Vollstreckung in das Grundeigentum stellt jedoch keine solche unmittelbare Belastung dar (vgl BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R = juris RdNr 44).
2. Eine unmittelbar auf dem Grundstück lastende Verbindlichkeit liegt nicht vor, wenn hinsichtlich einer Darlehensschuld lediglich eine schuldrechtliche Sicherungsabrede, nicht aber eine dingliche Sicherung existiert.
3. Die Verwertung des Vermögensgegenstandes kann in diesem Fall allerdings eine besondere Härte bedeuten, wenn dann aufgrund der schuldrechtlichen Sicherungsabrede unter Umständen in das Schonvermögen des Betroffenen vollstreckt werden würde.
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. September 2013 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für März bis August 2013 Leistungen ohne Berücksichtigung des Gartengrundstücks in der Ä-Astr. … in A. als Vermögen zu gewähren.
Der Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld II, welches der Beklagte ihr wegen zu hohen Vermögens verweigert.
Die 1959 geborene, alleinstehende Klägerin erwarb 2005 für 22.000,00 € ein 611 m² großes Gartengrundstück in der Ä-straße … in A., eingetragen im Grundbuch von ………., Blatt 628. Seit 2006 ist sie dessen Eigentümerin. Belastungen sind für das Grundstück nicht im Grundbuch eingetragen. Für den Erwerb des Grundstücks hatte sie am 23.08.2005 einen Kreditvertrag über 28.000,00 € mit der Sparkasse A. abgeschlossen. Nach Ziffer 3 des Vertrags wurde bis auf weiteres von einer Sicherheitenbestellung abgesehen. Das Institut sei jedoch berechtigt, jederzeit Sicherheiten zu fordern. Am 06.08.2008 gab die Klägerin gegenüber der Sparkasse eine auch von dieser unterzeichnete "Verpflichtungserklärung" ab, die auszugsweise wie folgt lautet:
"Zur Sicherung der Forderungen des oben genannten Kreditinstituts … gegen (Klägerin) … verpflichtet sich der Eigentümer, seinen Grundbesitz, insbesondere das im Grundbuch von …………., Blatt 628 verzeichnete Grundstück, Flurstück 501, Ä-Astraße …
1. weder zu veräußern noch über bestehende Belastungen hinaus zu belasten, (…)
4. Ferner verpflichtet sich der Eigentümer auf Verlangen des Kreditinstituts eine sofort fällige und vollstreckbare Grundschuld über 20.000,00 € mit 15,00 v.H. p.a. Zinsen auf seinem oben genannten Grundeigentum an nächstoffener Rangstelle eintragen zu lassen.
4.1 Zur Sicherung dieses Anspruchs auf Bestellung einer Grundschuld bewilligt der Eigentümer hiermit die Eintragung einer Vormerkung in dem oben bezeichneten Grundbuch. Das Kreditinstitut ist berechtigt, jederzeit die Eintragung der Vormerkung im Grundbuch zu beantragen.
7. Soweit der Eigentümer den Verpflichtungen aus diesem Vertrag zuwiderhandelt, kann das Kreditinstitut den Darlehensvertrag fristlos kündigen. Es wird die berechtigten Belange des Darlehensnehmers berücksichtigen."
Bis 31.08.2008 war die Klägerin bei der Sparkasse A. beschäftigt. Diese schloss für die Klägerin bei der C. eine private Rentenversicherung ab, nach der Rente ab Dezember 2024 fließen soll. In den einschlägigen "Richtlinien" der Sparkasse war für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt:
"Scheiden Sie aus unseren Diensten aus, so erklären wir sowohl Ihnen als auch der C. Lebensversicherung AG schon jetzt, dass Ihre Versorgungsansprüche auf die Leistungen begrenzt sind, die aufgrund unserer Beitragszahlung aus dem Versicherungsverhältnis fällig werden. Wir werden dann innerhalb von drei Monaten etwaige Beitragsrückstände ausgleichen und die Versicherung auf Sie übertragen. Sie können diese als Einzelversicherung nach dem dann geltenden Tarif gegen laufende Beitragszahlung … fortführen. Sind bei Ihrem Ausscheiden die gesetzlichen Bestimmungen über die Unverfallbarkeit der Versorgungsleistungen erfüllt, so ist eine Abtretung, Beleihung oder ein Rückkauf der Versicherung insoweit unzulässig, als die Versicherung auf unseren Beiträgen beruht."
Nachdem die Klägerin vorzeitig bei der Sparkasse ausgeschieden war, wurde der Rentenversicherungsvertrag zum 01.12.2008 beitragsfrei gestellt. Die Sparkasse schrieb der Klägerin am 04.07.2013, die Rentenversicherung unterliege den Bestimmungen des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung. Aufgrund dessen seien die Ansprüche aus der Versicherung nicht abtretbar oder beleihbar und könne die Versicherung nicht gekündigt werden.
Seit 2010 ist die Klägerin mit einem Büro- und Buchhaltungsservice selbst...