Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittel. Hörhilfe. beidseitige Versorgung. Cochlear-Implantat
Leitsatz (amtlich)
Bei beidseitiger Ertaubung besteht ein Rechtsanspruch auf bilaterale Cochlear-Implantatversorgung, sofern dadurch das Hörvermögen - insbesondere bei Störschall und das Richtungshören - wesentlich gebessert und damit dem Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung, der medizinischen Rehabilitation, genügt werden kann.
Tenor
I. Der Bescheid vom 25.03.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2003 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für eine Cochlear-Implantatversorgung der Klägerin auch auf dem rechten Ohr zu übernehmen.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kosten für ein Hörtraining und ein zweites Cochlear-Implantat.
Die am ... 1965 geborene Klägerin ist seit Juni 1999 auf Grund Hörsturzes nach Schwerhörigkeit praktisch vollständig ertaubt, und zwar links vollständig, bei einem an Taubheit grenzenden Restgehör rechts. Sie ist schwerbehindert und hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 90. Seit 01.08.2002 ist sie Trägerin eines Cochlear-Implantats/CI Tempo + MED EL links.
Mit Schriftsatz vom 25.02.2003 beantragte sie zum einen die Kostenübernahme für ein Hörtraining vom 28. bis 30.03.2003 in Hannover in Höhe von insgesamt 178,60 € (einschließlich Fahrtkosten); beigefügt war eine Bescheinigung der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Dr. K. vom 10.02.2003, wonach das Hörtraining zwingend erforderlich sei. Zum anderen beantragte sie die Kostenübernahme für eine Cochlear-Implantatversorgung rechts. Dadurch werde die Hörwahrnehmung und die Sprache verbessert, was ihre Vermitt-lungschanchen auf dem Arbeitsmarkt steigere. Ausweislich der beigefügten ärztlichen Bescheinigung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Kopfklinik) vom 13.02.2003 führe die beidseitige Nutzung identischer Cochlear-Implant-Systeme zu einer deutlichen Verbesserung des Sprachverständnisses. Die Klägerin habe bereits erheblich von der einseitigen CIS-Strategie profitiert.
Die Beklagte holte daraufhin 2 Gutachten nach Aktenlage des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) von Frau Dr. P. vom 24.03.2002 ein. Danach bedürfe es keines speziellen Hörtrainings, weil eine entsprechende logopädische Schulung auch unter ambulanten Bedingungen möglich sei. Für die begehrte rechtsseitige Cochlear-Implantat-Versorgung bestehe keine medizinische Indikation, da die Klägerin mit dem System auf der linken Seite gut zurechtkomme. Die beidseitige Cochlear-Implantat-Versorgung befinde sich noch in der Erprobungsphase, Forschung und Erkenntnisgewinn seien noch nicht abgeschlossen.
Durch Bescheid vom 25.03.2003, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt worden war, lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Das Hörtraining habe mehr den Charakter eines Seminars. Die Versicherten erhielten allgemeine Ratschläge zum Leben mit dem Cochlear-Implantat und zu Problemen mit der Technik. Ferner gebe es die Möglichkeit, Gleichbetroffene kennenzulernen. Sofern ein intensives Hörtraining weiterhin erforderlich sei, könne dies ebenso gut unter ambulanten Bedingungen am Wohnort beim Logopäden erfolgen. Für eine rechtsseitige Cochlear-Implantat-Versorgung fehle es an einer medizinischen Indikation.
Hiergegen legte die Klägerin am 01.04.2003 Widerspruch ein. Das Hörtraining sei wichtig zum Erlernen des Hörens. Logopäden, die speziell für die Behandlung von Cochlear-Implantat-versorgten Menschen ausgebildet seien, seien ihr nicht bekannt.
Eine beidseitige Versorgung sei erforderlich, weil sie nur so zum Richtungs- und räumlichen Hören in der Lage sei. Dies hebe ihre Lebensqualität und bessere ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die HNO-Klinik Würzburg habe mit großem Erfolg viele Kinder und Erwachsene mit einem zweiten Cochlear-Implantat versorgt, sodass man nicht mehr von einer Erprobungsphase sprechen könne.
Zur Erläuterung war ein Artikel des in dem Krankenhaus beschäftigten Privatdozenten Dr. M. vom Februar 2003 beigefügt.
Ausweislich eines weiteren MDK-Gutachtens von Frau Dr. Sch. vom 23.07.2003 lägen keine Studienergebnisse für eine signifikante Hörverbesserung durch eine bilaterale Cochlear-Implantat-Versorgung vor. Unter Bezugnahme hierauf teilte die Beklagte mit Schreiben vom 29.07.2003 mit, dass sie dem Widerspruch nicht abhelfen werde.
Die Klägerin fügte daraufhin eine weitere Stellungnahme des Privatdozenten Dr. M. vom 06.08.2003 nebst weiterer Publikationen bei. Frau Dr. Sch. vom MDK verwies demgegenüber mit Schreiben vom 28.07.2003 darauf, dass eine beidseitige Versorgung keine standardmäßige Therapie darstelle.
Durch Widerspruchsbescheid vom 31.10.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Studienergebnisse über eine signifikante Hörverbesserung durch eine bilaterale Cochlear-Implantat-Versorgung gegenüber einer einohrigen Versorgung lägen nicht vor. Durch die einseitige Versorgung habe auf das zuvor gen...