Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Vermittlungsgutschein. Vergütungsanspruch des Vermittlers nach Vermittlung des Arbeitnehmers in die Schweiz. Völkerrechtsvertrag. Arbeitnehmerfreizügigkeit
Leitsatz (amtlich)
Eine Arbeitsvermittlung in die Schweiz kann den Vergütungsanspruch des § 421g Abs 1 S 4 SGB 3 begründen. Der Begriff der "sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung" iS des § 421g Abs 1 S 4 SGB 3 ist völkerrechtsvertragskonform auszulegen. Unter Beachtung von Art 4 iVm Anh 1 Art 8, 9 Nr 1 des EGFreizügAbk CHE zwischen der Schweiz und den Europäischen Mitgliedstaaten umfasst er auch Beschäftigungsverhältnisse in der Schweiz.
Tenor
I. Unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 13.07.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2006 wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.000,00 € zu bezahlen.
II. Die Klägerin trägt 50 % der eigenen außergerichtlichen Kosten sowie 50 % der Gerichtskosten. Im Übrigen trägt die Beklagte die Kosten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Vermittlungsvergütungen für die Vermittlung des arbeitsuchenden Beigeladenen an einen Arbeitgeber in der Schweiz.
Die Klägerin ist in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als private Arbeitsvermittlungsagentur tätig.
Mit Ausstellungstag 17.03.2006 stellte die Beklagte dem beigeladenen Arbeitsuchenden einen Vermittlungsgutschein über 2.000,00 € nach § 16 Abs. 1 SGB II iVm § 421 g SGB III mit Gültigkeit vom 17.03.2006 bis 16.06.2006 aus. Unter dem 03.05.2006 schlossen der Beigeladene und die Klägerin einen „Arbeitsvermittlungsvertrag” (Anlage K 5). Auf Grund dieses Vermittlungsvertrages wurde der Beigeladene durch die Klägerin in ein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma … in Sankt Gallen (Schweiz), beginnend ab dem 08.05.2006 vermittelt. Dieses Beschäftigungsverhältnis dauerte bis zum 14.07.2006.
Die Klägerin beantragte am 15.06.2006 bei der Beklagten die Auszahlung einer Vermittlungsvergütung in Höhe von zunächst 1.000,00 €. Mit Bescheid vom 13.07.2006 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, ein Vergütungsanspruch bestehe nur bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Inland.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2006 wurde der am 17.07.2006 hiergegen eingelegte Widerspruch zurückgewiesen.
Nachdem die Bundesagentur für Arbeit eine entsprechende Dienstanweisung im Laufe des Verfahrens geändert hatte, hatte sich die Beklagte zunächst mit Schriftsatz vom 04.09.2007 grundsätzlich bereiterklärt, die Vermittlung in die Schweiz zu vergüten (Blatt 29 der Gerichtsakte). Noch bevor die Klägerin zum Nachweis der Vergütungsvoraussetzung fehlende Unterlagen zur Gerichtsakte reichen konnte, wurde die entsprechende Dienstanweisung wiederum geändert, eine Vergütung für die Vermittlung in die Schweiz wurde im Unterschied zur Vermittlung in EU- oder EWR-Mitgliedstaaten ausgeschlossen. Daraufhin lehnte die Beklagte die Erfüllung des streitgegenständlichen Anspruchs endgültig ab.
Die Kläger berufen sich für ihren Anspruch auf die sogenannte ITC-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) (Urteil vom 11.01.2007, Az: C-208/05). Diese Rechtsprechung des EUGH, wonach eine Beschränkung des § 421 g Abs. 1 Satz 4 SGB III auf Vermittlungen ins Inland europarechtswidrig sei, ist nach Auffassung der Kläger auch auf Vermittlungen in die Schweiz übertragbar. Im Übrigen habe die Beklagte durch Schriftsatz vom 04.09.2007 den Klageanspruch bereits anerkannt. Auch würden die Arbeitsagenturen der BfA in Deutschland selbst Arbeitsuchende für sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten in die Schweiz vermitteln. Es seien auch in der Vergangenheit mehrfach Vermittlungsgutscheine für die Vermittlung in die Schweiz ausgeteilt bzw. eingelöst worden, sodass die Beklagte über Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz zur Anspruchserfüllung verpflichtet sei.
Nachdem die Klägerin im Klageschriftsatz noch die Zahlung von 2.000,- € begehrte beantragte sie zuletzt:
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1. |
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Der Bescheid der Beklagten vom 13.07.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2006 wird aufgehoben. |
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2. |
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Vermittlungsvergütung in Höhe von 1.000,00 € zu zahlen. |
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist darauf, dass die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des EuGH nicht auf die Schweiz anwendbar sei, da die Schweiz weder ein EU-Mitgliedstaat sei, noch dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) angehöre. Zwar sei zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweiz andererseits ein sogenanntes Freizügigkeitsabkommen abgeschlossen worden. Dieses sehe hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit für die Arbeitsvermittlung aber gerade einen Ausnahmetatbestand vor. Auf Grundlage dieses Ausnahmetatbestandes sei nach wie vor die Bestimmung der Artt. 2, 3, 39 des Schweizerischen AVG wirksam, wonach für die Vermittlung von Arbeitsuchenden in die Schweiz eine Betriebsbewilligung des jeweiligen kantonalen Arbe...