Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung für eine Brustverkleinerungsoperation bei nachgewiesener medizinischer Notwendigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten für eine operative Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik) sind durch die gesetzliche Krankenversicherung zu tragen, wenn durch die Brustgröße bedingte krankhafte Veränderungen vorliegen, die mit Schmerzen einhergehen, welche bisher erfolglos durch physiotherapeutische Maßnahmen behandelt wurden und - als letztes Mittel - nur noch operativ zu lindern sind.
Tenor
I. Die Bescheide vom 27.05.2004, 23.07.2004, 18.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2005 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für eine Mamma-Reduktionsplastik zu übernehmen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtliche Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kosten für eine Brustverkleinerung.
Die 1957 geborene Klägerin beantragte über ihre behandelnde Frauenärztin, Frau Dipl.-Med. H., am 29.04.2004 die Kostenübernahme für eine Mamma-Reduktionsplastik wegen Mammahypertrophie beidseits, verbunden mit einer typischen Beschwerdesymptomatik. Sie befinde sich deswegen schon seit längerem in orthopädischer und neurologischer Behandlung. Der psychische Leidensdruck habe zugenommen. Beigefügt war ein Befund des Krankenhauses Landkreis M. gGmbH vom 19.04.2004 des Chefarztes der Gynäkologie Dr. V., nebst einer dort gefertigten Fotodokumentation vom 16.04.2004, ferner ein Befund des behandelnden Orthopäden Dr. H. vom 07.04.2004.
Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) von Frau Dr. W. vom 13.05.2004 ein. Diese empfahl Physiotherapie und eine Gewichtsreduktion zur Linderung der orthopädischen Beschwerden.
Durch Bescheid vom 27.05.2004, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt worden war, lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK den Antrag ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 04.06.2004 Widerspruch ein. Sie sei als Verkäuferin im Handel tätig und müsse von daher öfters schwere Lasten (Kisten) tragen. Bei der kleinsten Belastung leide sie unter Rückenschmerzen, ohne dass die bisherigen physiotherapeutischen Behandlungen Erfolg gezeitigt hätten. Nach 2 Stunden könne sie schmerzbedingt keine Kisten mehr tragen. Wegen seit mehreren Jahren bestehender Depressionen müsse sie Tabletten einnehmen. Durch das Stillen ihrer 4 Kinder seien die Brüste zu groß geraten. Im Hochsommer kämen Entzündungen unter der Brust hinzu. Beigefügt war eine Bescheinigung der Physiotherapeutin S. vom 02.06.2004, wonach die mehrjährige physiotherapeutische Behandlung nur eine kurzzeitige Besserung bewirkt habe. Auch Dr. H. bescheinigte unter dem 15.06.2004, dass bisherige Behandlungen keine Linderung gebracht hätten. Er empfehle deswegen aus orthopädischer Sicht eine Mamma-Reduktionsplastik zur Linderung des Beschwerdebildes.
Unter Bezugnahme auf ein weiteres vom MDK eingeholtes Gutachten von Frau Dipl.-Med. S. vom 15.07.2004 lehnte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 23.07.2004 erneut die Kostenübernahme für eine Mamma-Reduktionsplastik ab. Der Bescheid enthielt erneut keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Hiergegen legte die Klägerin am 09.08.2004 ein weiteres Mal Widerspruch ein. Sie verwies erneut auf ihre Rückenschmerzen und die bisherige erfolglose physiotherapeutische Behandlung.
Frau Dipl.-Med. H. und die nunmehr behandelnde Orthopädin Dipl.-Med. Z. empfahlen eine operative Brustverkleinerung. Diese führte unter dem 04.10.2004 aus, dass die Klägerin BH-Größe 90 DD trage, es handele sich um keine bloße “kosmetische Operation„.
Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres Gutachten des MDK von Frau Dipl.-Med. S. vom 05.11.2004 ein. Danach sei die Beschwerdesymptomatik nur durch eine Komplextherapie, Physio- und Psychotherapie, zu lindern. Das Äußere der Klägerin sei nicht entstellt.
Mit dem nunmehr 3. Bescheid vom 18.11.2004 lehnte die Beklagte ein weiteres Mal den Antrag ab, wiederum fehlte eine Rechtsbehelfsbelehrung.
Hiergegen legte die Klägerin - ebenfalls zum 3. Mal - am 01.12.2004 Widerspruch ein. Die Gewichtszunahme sei auf Grund einer Arzneimitteleinnahme erfolgt. Ohne die beantragte Operation seien weitere degenerative Veränderungen der Brust- und Lendenwirbelsäule zu befürchten.
Durch Widerspruchsbescheid vom 12.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Größe der Brust sei keine Krankheit, weil kein regelwidriger Körperzustand vorliege. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei bei einem im Normbereich liegenden körperlichen Zustand zur körperlichen Besserung Psychotherapie angezeigt, jedoch kein chirurgischer Eingriff.
Die Klägerin hat deswegen am 25.07.2005 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Das Gewicht der Brust müsse über Wirbelsäule und Rückenmuskulatur kompensiert werden. Dies verursache Schmerzsyndrome, für die allein physiotherapeutische Maßnahmen nicht ausreichten. Die Brustkontur sei d...