Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorverfahren. unzulässige Zurückweisung eines Widerspruchs wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Fristbeginn bei wirksamer Bevollmächtigung. Verwirkung des Beitragsnachforderungsanspruchs bei verspäteter Geltendmachung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zurückweisung eines Widerspruchs als unzulässig wegen Fristsäumnis - unter Ablehnung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - setzt voraus, dass aus Gründen rechtlichen Gehörs dem Widerspruchsführer zuvor Gelegenheit gegeben wird, ggf Wiedereinsetzungsgründe geltend zu machen.
2. Bei wirksamer Bevollmächtigung setzt eine etwaige frühere Bekanntgabe/Zustellung des Bescheides an den Vertretenen selbst keine frühere Frist in Lauf.
3. Hat der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung den Beitragspflichtigen nach § 28k Abs 2 SGB 4 aF geprüft, ohne Differenzen auf dem Beitragskonto festzustellen, ist dessen Beitragsanspruch verwirkt, wenn er in den Folgejahren keine Beitragsforderungen (mehr) geltend macht und der Beitragspflichtige auf Grund näherer Umstände insoweit auf Beitragsfreiheit vertraut hat.
Tenor
I. Der Bescheid vom 02.03.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2005 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Beitragsnachforderung für einen Arbeitnehmer.
Der Arbeitnehmer und Beigeladene zu 2.) war ab 01.01.1997 privat versichert. Seit 15.01.1999 ist er für die Klägerin tätig und war von ihr als versicherungsfrei in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gemeldet.
Auf Antrag vom 01.10.2000 befreite ihn die Beklagte mit Bescheid vom 20.11.2000 vom 01.10.2000 an als Bezieher von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld von der Krankenversicherungspflicht. Er bleibe auch versicherungsfrei, wenn er zugleich die Voraussetzungen der Versicherungspflicht auf Grund eines anderen Tatbestandes erfülle. Die Befreiung könne nicht widerrufen werden.
Unter dem 12.10.2004 hörte sie ihn an zu ihrer Absicht, ab 01.09.2001 die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung festzustellen. Die Jahresarbeitsentgelte bei seinem Arbeitgeber hätten in den Jahren 2001 bis 2003 nicht die jährliche Beitragsbemessungsgrenze überstiegen. Der Bescheid vom 20.11.2000 habe sich lediglich auf die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht als Bezieher von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld bezogen.
Zugleich hörte sie die Klägerin zu der beabsichtigten Feststellung an.
Der Beigeladene zu 2.) teilte unter dem 27.10.2004 mit, dass er bereits seit 1992 privat versichert sei; 1999 habe er seine freiberufliche Tätigkeit aufgeben müssen. Die Meldung zu seiner Befreiung sei monatlich von seinem Arbeitgeber bzw. dessen Steuerbüro durchgeführt worden. Nach den Informationen seiner damaligen privaten Krankenversicherung und des Steuerberaters seines Arbeitgebers sei er davon ausgegangen, dass er künftig weiter privat versichert bleiben könne, weil er länger als 5 Jahre privat krankenversichert gewesen sei. Zur Streitvermeidung werde er seiner privaten Krankenkasse kündigen und ab 01.01.2005 in eine gesetzliche Krankenversicherung eintreten.
Die Klägerin unterrichtete darüber, dass sie bereits ab 01.09.2001 den Arbeitnehmer als Privatversicherten gemeldet und der Klägerin die Jahresmeldungen auch in den Folgejahren übermittelt habe. Dies habe sie akzeptiert. Bei Prüfung der Landesversicherungsanstalt Sachsen im Jahr 2002 seien keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden, sodass die Klägerin von einer fortbestehenden privaten Krankenversicherung ausgegangen sei. Nicht nachvollziehbar sei, warum nach 3 Jahren nunmehr ein geänderter Sachverhalt festgestellt und Beiträge nachgefordert würden.
Mit Schreiben vom 10.11.2004 bescheinigte die Beklagte dem Beigeladenen zu 2.) seine Mitgliedschaft rückwirkend ab 01.09.2001 als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer.
Unter dem 10.11.2004 teilte sie der Klägerin die Jahresarbeitsentgeltmeldungen für den Zeitraum ab September 2001 bis Dezember 2003, mit den für die jeweiligen Jahre geltenden Beitragsbemessungsgrenzen, mit.
Mit Schreiben vom 10.12.2004 berief sich die Klägerin auf eine Verwirkung der Nachforderungsansprüche. Sie habe regelmäßig die Arbeitsentgelte über das Steuerbüro der Beklagten mitgeteilt, die mit Schreiben vom 24.09.2001 und 25.10.2002 keine Differenzen zum Beitragskonto festgestellt habe, weshalb sie auf die Richtigkeit der Beitragsabführung vertraut habe.
Unter dem 27.12.2004 informierte sie die Beklagte über die Beitragsnacherhebung im Zeitraum 01.09.2001 bis 30.09.2004. Die Nachforderung betrage insgesamt 13.312,35 €.
Durch Bescheid vom 02.03.2005 setzte die Beklagte den Nachforderungsbetrag für die Kranken- und Pflegeversicherung auf die vorgenannte Summe fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 08.04.2005 über ihre Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein. Der geltend gemachte Nachforderungsanspruch sei verwirkt. Selbst wenn die Betriebsprüfung nur stichprobenartig erfo...