Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Lehrerin. Versorgung mit einem Hörgerät oberhalb des Festbetrages
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch einer Lehrerin (kaufmännische Ausbilderin) auf Versorgung mit einem Hörgerät oberhalb des Festbetrages.
Tenor
I. Der Bescheid vom 30.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.03.2018 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, über den Festbetrag von 833,50 € für eine Hörhilfe rechts hinaus der Klägerin die Kosten für das Hörgerät "H. S. " i.H.v. weiteren 1.284,90 € zu erstatten.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kosten für ein Hörgerät.
Die ….1972 geborene Klägerin ist kaufmännische Ausbilderin. Der Facharzt für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Dr. S. verordnete ihr am 05.01.2017 eine Hörhilfe rechts. Nach dem Testen aufzahlungsfreier Hörgeräte der H. B-Stadt GmbH & Co. KG erklärte die Klägerin nach Empfang des begehrten Hörgerätes am 25.10.2017 zugleich, sich aus beruflichen Gründen für ein, die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung übersteigendes, Hörgerät entschieden zu haben.
Am 03.11.2017 beantragte sie unter Beifügung eines Kostenvoranschlages des vorgenannten Unternehmens vom 03.11.2017 bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für ein "H. S." (einschließlich Reparaturkostenpauschale) in Höhe von 2.028,50 Euro.
Wegen des von der Klägerin angegebenen beruflichen Mehrbedarfs bat die Beklagte am 14.11.2017 die Beigeladene um Überprüfung einer eigenen Leistungszuständigkeit. Diese teilte mit Schreiben vom 24.11.2017 mit, dass die Klägerin für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die persönlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Es bestehe keine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit für ein höherwertiges Hörgerät. Bei nahezu jeder Berufsausübung sei die persönliche/ telefonische Kommunikation im Zweier- oder Gruppengespräch üblich, was auch für ungünstige akustische Bedingungen gelte.
Unter Bezugnahme hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.11.2017 die Übernahme eines Mehrkosten- Anteils ab. Als Gesetzliche Krankenversicherung sei sie nur verpflichtet, die Kosten für einen Behinderungsausgleich zu übernehmen, d.h. in Höhe des Festbetrages von 833,50 Euro.
Hiergegen legte die Klägerin am 21.12.2017 Widerspruch ein. Für sie kostenfreie Hörsysteme habe sie im Berufsalltag getestet. Dabei sei ein ständiges Umschalten notwendig gewesen, um ihre Schüler überhaupt verstehen zu können. Dadurch werde sie jedoch von ihren beruflichen Aufgaben zurückgehalten, weil sie während des Unterrichtens ständig wechselnden Situationen ausgesetzt sei.
Beigefügt war eine datumlose Stellungnahme des H. B-Stadt, wonach die Klägerin während des Unterrichts etwa 40 manuelle Schaltvorgänge am Hörgerät habe vornehmen müssen, um die Schüler verstehen zu können.
Daraufhin teilte ihr die Beklagte am 08.10.2018 mit, dass sie den Antrag zur erneuten Prüfung an die Beigeladene weitergeleitet habe. Diese erläuterte unter dem 22.01.2018, dass sie keine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit für eine höherwertige Versorgung anerkenne, da kein Unterschied zu den üblichen Bedingungen des Arbeitslebens erkennbar sei.
Auf entsprechende Mitteilung der Beklagten vom 25.01.2018 hin erklärte die Klägerin nochmals, im Berufsalltag ständig wechselnden unterschiedlichen Situationen ausgesetzt zu sein; bei zuzahlungsbefreiten Geräten halte sie das permanente Umschalten von ihrer Arbeit ab, was unzumutbar sei.
Dennoch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2018 den Widerspruch zurück. Als Gesetzliche Krankenversicherung habe sie mit Zahlung des Festbetrages ihre Leistungspflicht erfüllt. Nach Beurteilung des Rentenversicherungsträgers begründeten die höheren Anforderungen an den Beruf einer kaufmännischen Ausbilderin noch keinen berufsbedingten Mehrbedarf.
Die Klägerin hat deswegen am 26.04.2018 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben und am 01.08.2018 begründet. Seit 2002 unterrichte sie durchschnittlich 22 Schüler von 7 bis 16 Uhr. Hierbei werde Verständlichkeit und individuelle Betreuung von Schülern vorausgesetzt, um diese auf eine Ausbildung oder Eingliederung in das Berufsleben vorbereiten zu können. Der Unterricht sei geprägt von wechselnden Anforderungen, bspw. einem individuellen Gespräch oder "Frontalunterricht" im Klassenraum. Es gäbe daher große qualitative Unterschiede. Diese seien geprägt u.a. von Hintergrundgeräuschen, wie dem Lärm eines Beamers und eines Overheadprojektors. Hinzu komme noch mehrmals am Tag eine in beiden Richtungen und in kurzen Abständen vorbeifahrende Straßenbahn, was sich insbesondere bei geöffnetem Fenster - wie in der "Corona- Zeit" häufig üblich - negativ bemerkbar mache. Ferner erschwere die Verständlichkeit ein Durcheinandersprechen verschiedener Teilnehmer, die zudem aus ganz unterschiedlichen sozialen Milieus stammten, teilweise mit Migrationshintergrund. Diese großen qualitat...