Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. mehrtägige Klassenfahrt. Schüleraustauschprogramm der Schulaufsichtsbehörde

 

Leitsatz (amtlich)

Klassenfahrt iS des § 28 Abs 2 Nr 2 SGB 2 kann auch ein nicht durch die Schule, sondern eine Schulaufsichtsbehörde nach Ausschreibung angeordneter und mittels Teilstipendium finanzierter Schüleraustausch sein. Die Tatbestandswirkung des entsprechenden Bewilligungsbescheids einer Schulaufsichtsbehörde bindet das Jobcenter hinsichtlich der schulrechtlichen Zulässigkeit und Verbindlichkeit des Schüleraustauschs.

 

Orientierungssatz

Az beim LSG: L 7 AS 209/14

 

Tenor

I.... Der Bescheid des Beklagten vom 17.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2013 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Leistungen für Bildung und Teilhabe in Höhe ihres Eigenanteils von 150,00 Euro für das Teilstipendium des SMK zum Schüleraustausch in den USA im Herbst 2013 zu gewähren.

III. Der Beklagte hat die notwendigen Auslagen der Klägerin zu tragen.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte den 150,- € betragenden Eigenanteil der Klägerin für die Teilnahme an einem nach Auswahlverfahren des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus (SMK) mit Teilstipendium des SMK von 2.000,- € geförderten 4wöchigen Schulbesuch in den USA vom 28.09. bis 26.10.2013 als Bedarf für eine mehrtägige Klassenfahrt i. S. des § 28 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 SGB II im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II zu erstatten hat.

Die 1996 geborene erwerbsfähige Klägerin lebt mit ihrem Vater in gemeinsamer Wohnung in A..... Sie besucht im Schuljahr 2013/2014 ein Gymnasium der Stadt A.... in der Klassenstufe 11. Ihr Vater bezieht fortlaufend ergänzende Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II, die für den streitgegenständlichen Zeitraum mit bestandskräftigem Bescheid des Beklagten vom 16.09.2013 bewilligt sind. Der Bedarf der Klägerin von monatlich 489,- € war im streitgegenständlichen Zeitraum durch monatliches Einkommen aus Unterhalt in Höhe von 398,- € und Kindergeld ihres Vaters in Höhe von anteilig 91,- € gedeckt, daneben erzielte sie berücksichtigungsfrei laufendes Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von monatlich 100,- €. Die Klägerin bewarb sich mit herausragenden Leistungen unter mehr als 300 Bewerbern in einem mehrstufigen Auswahlverfahren des SMK für Schüler ab Klasse 8 erfolgreich für ein Schülerstipendium. Ihr wurde mit Schreiben des SMK vom 02.07.2013 ein Teilstipendium in Höhe von 2.000,- € für einen vierwöchigen Schulbesuch in den USA zugesagt (Bl. 15 d. A....). Neben der Klägerin wurden noch 19 sächsische Schüler, darunter ein weiterer aus der Schule der Klägerin, zur Teilnahme ausgewählt. Die Klägerin nahm sodann an dem im SMK gehaltenen eintägigen Vorbereitungsseminar vom 06.09.2013 teil (Bl. 16 d. A....). Mit dem Stipendium besuchte die Klägerin im Rahmen eines durch einen überregional tätigen privaten Träger, den E… e. V., organisierten Schüleraustauschprogrammes vom 28.09. bis 26.10.2013 in den USA die Schule und lebte in jener Zeit dort in einer Gastfamilie. Das SMK forderte mit Schreiben vom 30.08.2013 die Überweisung von 150,- € Eigenanteil der Klägerin gemäß Programmausschreibung (Bl. 17 d. A....). Der Vater der Klägerin beantragte hierauf in Höhe dieses Eigenanteils für die Klägerin am 03.09.2013 Leistungen für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben (Bl. 126 ff. der Beklagtenakte). Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17.09.2013 (Bl. 138 Beklagtenakte) ab. Bei dem Schüleraustausch handele es sich nicht um eine Klassenfahrt im schulrechtlichen Sinne. Die Nichtteilnahme an der Fahrt bewirke somit keine Isolation vom Klassenverband. Der Widerspruch der Klägerin blieb mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2013 (Bl. 169 ff. Beklagtenakte) ohne Erfolg. Seit Januar 2014 leistet die Klägerin Ratenzahlungen von monatlich 20,- € an das SMK.

Die Klägerin macht geltend, eine Nichtteilnahme an dem Austauschprogramm hätte sie in ihren Bildungschancen beschnitten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 17.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Leistungen für Bildung und Teilhabe in Höhe ihres Eigenanteils von 150,- € für das Teilstipendium des SMK zum Schüleraustausch in den USA zu gewähren.

Der Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Er ist weiter der Auffassung, wegen der Organisation des Schüleraustauschs durch das SMK und nicht die Schule der Klägerin sei keine schulische Veranstaltung im Sinne des Schulrechts, hier Ziff. 4.1. VwV Schulfahrten, gegeben. Der Schüleraustausch könne daher auch nicht als Klassenfahrt i. S. von § 28 SGB II angesehen werden.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, die beigezogene Akte des Beklagten und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet. Die Entscheidung...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge