Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Versicherungspflicht. Übersetzer von anspruchsvollen Texten mit theologischem und philosophischem Inhalt. Publizist
Leitsatz (amtlich)
Ein Übersetzer ist dann als Publizist im Sinne des KSVG tätig, wenn in der Übersetzung dessen eigene schöpferische Ausdruckskraft zum Ausdruck kommt (hier: theologische, religiöse, philosophische und historische Schriften).
Tenor
I. Der Bescheid vom 30.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2008 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, festzustellen, dass der Kläger ab 01.02.2007 der Versicherungspflicht nach dem KSVG in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung unterliegt.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).
Der 1971 geborene Kläger ist US-Staatsangehöriger. Er erwarb am 13.03.1999 den Abschluss “Magister Artium„ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena in neuerer und mittelalterlicher Geschichte und Indogermanistik. Seit 01.02.2007 ist er als freiberuflicher Übersetzer in das Englische tätig, u.a. für Jenoptik Jena, Infineon, Lutherischen Weltbund und Evangelische Kirche in Deutschland (EKD).
Am 29.01.2007 beantragte er die Prüfung der Versicherungspflicht nach dem KSVG. Ferner legte er eine Bescheinigung der Techniker Krankenkasse vom 25.01.2007 vor, wonach die Mitgliedschaft in der Techniker Krankenkasse und in der TK-Pflegeversicherung mit Eintritt der Krankenversicherungspflicht nach dem KSVG beginne, und fügte beispielhaft herausgegriffene Übersetzungsarbeiten und Referenzen bei.
Durch Bescheid vom 30.07.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Da keine künstlerische/publizistische Tätigkeit vorliege, werde keine Versicherungspflicht nach dem KSVG begründet. Die übersetzten Texte seien nicht im weitesten Sinne der Literatur zuzurechnen, hierfür fehle dem Kläger der sprachliche und inhaltliche Gestaltungsspielraum. Zudem habe er keinen inhaltlichen Einfluss auf das Arbeitsergebnis.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 27.08.2007 Widerspruch ein. Die übersetzten Texte müssten an das sprachliche und inhaltlich-kulturelle Niveau der Zielkultur angepasst werden. Dies gelte insbesondere auch für die, beispielhaft dem Schreiben beigefügten, religionswissenschaftlichen und historisch-volkskundlichen Arbeiten. Zur besseren Verständlichkeit im Zielkulturkreis bediene er sich eines großen sprachlichen Gestaltungsspielraums, auch um den poetischen Charakter von Gebeten und Gefühlen entsprechend übermitteln zu können. Seine Aufgabe bestehe in einem “Spagat von Texttreue und Kreativität„, der oftmals in den Entwurf eines völlig neuen und originellen englischen Textes münde. Spezifisch deutsche Inhalte theologischer und philosophischer Natur seien unter Beachtung des kulturellen Kontextes entsprechend zu ergänzen und zu erklären. Dies gelte auch für die Darstellung von Phänomenen der deutschen Gesellschaft, die keine “wörtliche oder wortgetreue Übersetzung„ nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes gestatteten. Teilweise redigiere er auch deutsche Texte mit. Ungefähr 80 % seiner Texte seien mit stilistischem oder inhaltlichem Anspruch versehen und der Rubrik “Literatur„ zuzuordnen, Gebrauchsanweisungen oder Verträge gehörten hingegen nicht zu seinem üblichen Repertoire. Zum Beleg fügte er Kontoauszüge aus dem Jahre 2007 bei, die mehrheitlich kirchliche Auftraggeber auswiesen.
In seiner Sitzung vom 14.02.2008 hat der Widerspruchsausschuss dem Widerspruch abgeholfen.
Nach einem Beanstandungsverfahren hat der Widerspruchsausschuss am 27.03.2008 erneut dem Widerspruch abgeholfen.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesversicherungsamtes (BVA) vom 02.06.2008 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2008 den Widerspruch zurück. Es handele sich um keine publizistische Tätigkeit. Kreativität und sprachliches Geschick seien vielmehr dem Beruf des Übersetzers immanent und könnten allein noch nicht die Eigenschaft als Publizist begründen. Die Tätigkeit des Klägers beschränke sich auf technisch/handwerkliche Übersetzungen, die quasi “Kopien der Originaltexte„ bildeten, ohne im schriftstellerischen oder künstlerischen Umfeld mit Interpretationsspielräumen beheimatet zu sein.
Der Kläger hat deswegen am 02.07.2008 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben (Az: S 5 U 94/08) In seiner Begründung vom 15.09.2008 verweist der Kläger darauf, dass er literarisch tätig sei, weil er Texte mit philosophischem und theologischem Inhalt in die englische Sprache transferiere, was ein erhöhtes Maß an Kreativität erfordere. Beigefügt waren eine Umsatzaufstellung aus dem Jahre 2007 sowie ein Einkommensteuerbescheid aus demselben Jahr.
Nach mehrfachen Terminierungen zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht wegen sachlicher Kammerunzuständigkeit das Verfahren am 07.04.2010 an die erkennend...