Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausübung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen. Zusammenrechnung. Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze. Beginn der Sozialversicherungspflicht mit Bekanntgabe des Bescheides der Einzugsstelle oder des Rentenversicherungsträgers. rückwirkender Eintritt der Versicherungspflicht auch bei grob fahrlässigem Verhalten der Arbeitgebers ausgeschlossen. keine Anwendung der Geringfügigkeits-Richtlinien
Orientierungssatz
1. Der Eintritt der Versicherungspflicht beim Überschreiten der Voraussetzungen von § 8 Abs 1 SGB 4 durch mehrere geringfügige Beschäftigungen erfolgt auch dann erst mit Bekanntgabe der Feststellung durch die Einzugsstelle, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt hat, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Bedeutung aufzuklären.
2. Die in den Geringfügigkeits-Richtlinien vom 24.8.2006 enthaltene gegenteilige Bestimmung (Nr B 5.3 S 3) ist mangels einer Ermächtigungsgrundlage und wegen der unzulässigen teleologischen Reduktion rechtsunwirksam.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 2. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2006 wird insoweit aufgehoben, als die Versicherungspflicht bei Mehrfachbeschäftigung für den Zeitraum vor dem 5. April 2004 festgestellt worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Beginn der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. und die rückwirkende Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung.
Die im Oktober 1961 geborene Beigeladene zu 1. war bei der Beigeladenen zu 2. gesetzlich krankenversichert. Letzterer wurden ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis bei den L. ab 1. November 1999 sowie ein weiteres geringfügiges Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin ab dem 1. Dezember 2000 gemeldet. Im Zusammenhang mit der Aufnahme des zweiten Beschäftigungsverhältnisses erklärte die Beigeladene zu 1. in einem “Zusatz-Personalbogen Geringverdiener„ am 4. Dezember 2000, dass keine weiteren sozialversicherungspflichtigen Einkünfte erzielt werden. In einem weiteren “Zusatz-Personalbogen Geringverdiener„ vom 4. Juli 2003 bestätigte die Beigeladene zu 1. darüber hinaus, dass die Aushilfstätigkeit bei der Klägerin ihre erste Anstellung im Rahmen der Geringverdienergrenze bis 400,00 Euro sei.
Mit Bescheid vom 2. April 2004 stellte die Beklagte fest, dass die Beigeladene zu 1. mehrere geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse ausübe und die Entgeltgrenze von 400,00 Euro monatlich überschritten werde. Damit sei die Beigeladene zu 1. in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Zwar trete grundsätzlich die Versicherungspflicht erst mit dem Tage nach der Bekanntgabe der Feststellung ein (§ 8 Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV). Dies gelte allerdings nicht, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt habe, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung aufzuklären. Hier läge Vorsatz beziehungsweise grobe Fahrlässigkeit vor, weil die Klägerin in ihrem Personalbogen vom 4. Dezember 2000 nur nach der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und nicht nach weiteren geringfügig entlohnten Beschäftigungen gefragt habe. Im Übrigen habe die Beigeladene zu 1. in dem Personalbogen vom 4. Juli 2003 bestätigt, dass eine weitere Beschäftigung ausgeübt werde. Die Klägerin habe jedoch zu keinem Zeitpunkt die Entgelte der anderen Beschäftigung abgefragt beziehungsweise die Einhaltung der Entgeltgrenzen geprüft. Deshalb sei für den Beginn der Versicherungspflicht der 1. Dezember 2000 maßgebend. Die Beigeladene zu 1. sei mit vorgenanntem Tag bei einer wählbaren Krankenkasse als versicherungspflichtig Beschäftigte zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung anzumelden. Die bei der Beklagten eingereichte Meldung müsse storniert werden.
Dagegen erhob die Klägerin am 20. April 2004 Widerspruch und machte geltend, sie habe die Beigeladene zu 1. zum Zeitpunkt des Beschäftigungsbeginnes befragt, ob weitere Beschäftigungsverhältnisse vorlägen. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages, den die Beigeladene zu 1. mit der Klägerin geschlossen habe, dürften weitere Beschäftigungsverhältnisse lediglich mit schriftlicher Einwilligung des Arbeitgebers ausgeübt werden. Die Klägerin sei bemüht, jegliche Informationen über weitere Beschäftigungsverhältnisse von ihren Arbeitnehmern zu erhalten. Von grober Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz könne nicht ausgegangen werden.
Mit Bescheid vom 18. April 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb bei ihrer Auffassung, die Klägerin habe grob fahrlässig gehandelt. Diese sei wegen der Verletzung der Arbeitgeberpflichten aus den §§ 28 a, 28e SGB IV gegeben, denn es sei versäumt worden, den Sachverhalt hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses weiter aufzuklären. Die versicherungsrechtli...