Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende: Leistungsentziehung wegen fehlender Mitwirkung. Zumutbarkeit einer Mitwirkungs- und Auskunftspflicht bezüglich privater Dritter. Gegenstand eines Rechtsschutzbegehrens gegen eine Leistungsentziehung wegen Mitwirkungspflichtverletzung
Orientierungssatz
1. Ein Sozialleistungsempfänger ist gegenüber dem Leistungsträger nur zu solchen Auskünften bezüglich privater Dritter verpflichtet, die ihm selbst bekannt sind. Ein Leistungsträger ist daher nicht berechtigt, von einem Leistungsempfänger die Beibringung von Einkommens- und Vermögensnachweisen eines privaten Dritten zu verlangen. Eine darauf gerichtete Mitwirkungspflicht des Leistungsempfängers ist deshalb unzumutbar.
2. Hat der Leistungsträger eine Leistungsgewährung wegen fehlender Mitwirkung eingestellt, überprüft das Gericht nur, ob die Voraussetzungen für den Leistungsentzug gegeben waren. Eine Überprüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs findet dagegen nicht statt.
3. Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens kann jedoch auch bei einem Leistungsentzug wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht eine Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG getroffen werden, um einen vorläufigen weiteren Leistungsbezug zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Ablauf einer Leistungsperiode sicher zu stellen.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. April 2008 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin im Wege der Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes ab dem 24. April 2008 bis zu einer Entscheidung über ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. April 2008, längstens jedoch für sechs Monate, Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende in Höhe der Regelleistung nach § 20 SGB II zu gewähren.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
Der Antragstellerin wird für das gesamte erstinstanzliche einstweilige Rechtsschutzverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt E. gewährt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Entziehung und die Nichtgewährung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).
Die am 09. Dezember 1962 geborene Antragstellerin bezog seit dem Jahre 2005 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) von der Antragsgegnerin. Zuletzt bewilligte ihr die Antragsgegnerin derartige Leistungen mit Bescheid vom 05. September 2007 für den Zeitraum vom 01. Oktober 2007 bis zum 31. März 2008 in Höhe von 711,50 €. Bereits im Rahmen der ersten Antragstellung im Dezember 2004 hatte die Antragstellerin angegeben, dass in der Wohnung bzw. dem Haus ihr 20jähriger Sohn und ihr Vermieter F. lebe. Nachdem die Antragsgegnerin der Antragstellerin bis zum 31. März 2008 Leistungen ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des Herrn G. gewährt hatte, führte sie am 19. März 2008 einen Hausbesuch durch (vgl. Bl. 94 - 96 der Verwaltungsvorgänge). Bereits zuvor - nämlich am 21. Februar 2008 - beantragte die Antragstellerin die Fortzahlung der Leistungen ab dem 01. April 2008, wobei sie etwaige Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen verneinte. Mit Schreiben vom 04. April 2008 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Hinweis auf §§ 60 und 66 SGB I mit, dass über ihren Antrag noch nicht entschieden werden könne, weil u. a. Unterlagen und Nachweise bezüglich Herrn F. fehlen würden.
Die Antragstellerin erklärte daraufhin am 08. April 2008, dass eine eheähnliche Gemeinschaft mit Herrn G. nicht bestehe und er lediglich ihr Vermieter sei.
Mit Bescheid vom 11. April 2008 versagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin ab dem 01. April 2008 die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts “nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)". Zur Begründung gab sie an, dass die mit Schreiben vom 04. April 2008 angeforderten Unterlagen/Nachweise trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt worden seien. Über den hiergegen am 24. April 2008 erhobenen Widerspruch der Antragstellerin ist bislang - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden.
Die Antragstellerin hat am 24. April 2008 bei dem Sozialgericht Lüneburg um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht, mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Leistungen ab dem 01. April 2008 weiter zu gewähren. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe nicht gegen ihre Mitwirkungspflichten verstoßen, weil sie im Februar 2008 einen Neuantrag gestellt habe und über diesen zu entscheiden sei. Die Ausführungen im Schreiben der Antragsgegnerin vom 04. April 2008 entbehrten jeder Logik. Sie sei aufgrund des Vorgehens der Antragsgegneri...