Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Gebührenbemessung in einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach den Bestimmungen des SGB II, in denen Betragsrahmengebühren entstehen; hier insbesondere zur Frage der Anwendbarkeit der Nr. 3102 VV-RVG anstelle der Nr. 3103 VV-RVG.
Tenor
Auf die Erinnerung der Erinnerungsführer vom 24. Dezember 2008 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 18. Dezember 2008 - S 25 AS 1005/08 ER - geändert.
Die von der Erinnerungsgegnerin an die Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits werden endgültig auf einen Betrag in Höhe von 529,55 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2008 festgesetzt.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.
Gründe
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Gesamtvergütungsanspruches des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller für die Vertretung in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg, mit dem die vollständige Gewährung von Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) erstrebt wurde. Das Verfahren erledigte sich nach etwa 6 Wochen Verfahrensdauer durch den Erlass entsprechender Bewilligungsbescheide durch die Antragsgegnerin und Erinnerungsgegnerin (im Folgenden nur: Erinnerungsgegnerin).
Die gemäß § 197 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Erinnerung der Antragsteller und Erinnerungsführer (im Folgenden nur: Erinnerungsführer) hat Erfolg.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat zu Unrecht lediglich einen Gesamtvergütungsanspruch in Höhe von 380,80 € festgesetzt. Die Kammer hält demgegenüber einen Gesamtvergütungsanspruch in Höhe des von den Erinnerungsführern beantragten Betrages von 529,55 € für angemessen.
Bei der Bestimmung der Rechtsanwaltsvergütung nach §§ 3, 14 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit, der Umfang und die Schwierigkeit der Tätigkeit des Rechtsanwalts sowie die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Klägers zu berücksichtigen. Wenn die Gebühr - wie hier - von einem Dritten zu erstatten ist, so ist die anwaltliche Gebührenbestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 1 RVG). Im Falle der Unbilligkeit erfolgt eine Gebührenfestsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Der Ausgangspunkt ist die so genannte Mittelgebühr, d. h. die Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens (Hälfte von Höchst- zuzüglich Mindestgebühr), die anzusetzen ist bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades und in denen die vom Rechtsanwalt geforderte und auch tatsächlich entwickelte Tätigkeit ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war. Denn nur so wird eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis gewährleistet (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen - Bremen, Beschluss vom 24. April 2006, - L 4 B 4/05 KR SF). Abweichungen nach unten oder oben ergeben sich, wenn auch nur ein Tatbestandsmerkmal des § 14 RVG fallbezogen unter- oder überdurchschnittlich zu bewerten ist.
1. Der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführer hat - entgegen der Auffassung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle - eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - i. V. m. Nr. 1008 VV-RVG verdient. Demgegenüber ist der (niedrigere) Rahmen der Nr. 3103 VV-RVG in der vorliegenden Konstellation des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens - entgegen der Auffassung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle - nicht anwendbar. Dieser Sichtweise steht nämlich bereits der eindeutige Wortlaut der Nr. 3103 RVG-VV entgegen: Danach ist der (geringere) Gebührenrahmen dann anzuwenden, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Dies ist indes bei einem Verfahren, in dem es um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes geht, gerade nicht der Fall; das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat im Ergebnis eine andere Zielrichtung, nämlich die vorläufige Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses. Daher kann mit dem Wort “vorausgegangen„ nur gemeint sein, dass das Verwaltungsverfahren nach Antragstellung bzw. das Widerspruchsverfahren nach Einlegung des Widerspruchs vorausgegangen und in ein sozialgerichtliches Klageverfahren mündete. Dem Wort “vorausgegangen„ ist immanent, dass es sich auf etwas bezieht, was in der Vergangenheit liegt bzw. auf etwas, was abgeschlossen ist. So verstanden mündet ein Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren gerade nicht in ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren, mag es auch - worauf das Sozialgericht Aurich in dem zitierten Beschluss zutreffend hinweist - im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung von der Einlegun...